„Österreichische Korruptionsstatistik“ am Prüfstand
Eine Anfragebeantwortung (3127/AB) vom 21.Mai des heurigen Jahres durch das Innenministerium lässt aufhorchen. Die Beantwortung richtete sich an die NEOS, die noch unter dem ehemaligen Innenminister Herbert Kickl gezeichnet wurde. Unter anderem wurden im Zuge der parlamentarischen Anfrage „Österreichische Korruptionsstatistik“ folgende Straftatbestände abgefragt:
- Veruntreuung
- Betrug
- Schwerer Betrug
- Gewerbsmäßiger Betrug
- Untreue
- Förderungsmissbrauch
- Geldwäscherei
- Missbrauch der Amtsgewalt
- Bestechlichkeit
- Vorteilsannahme
- Vorbereitung der Bestechlichkeit oder der Vorteilsnahme
- Bestechung
- Vorteilszuwendung
- Geschenkannahme und Bestechung von Bediensteten oder
- Beauftragten
- Verletzung des Amtsgeheimnisses
- Falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt
Die Beantwortung ist 45 Seiten stark, beinhaltet eine Gesamtübersicht über die abgefragten Delikte, aber auch eine Aufschlüsselung nach Bundesland, Geschlecht sowie Schadenssummen.
[Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle muss der Referent bzw. müssen die Referenten des Innenministeriums positiv hervorgehoben werden, da die Recherche des Datenmaterials einen Kraftakt darstellt bzw. darstellen.]
„Wien ist das korrupteste Bundesland Österreichs.“
Christoph Wiederkehr, Klubobmann der NEOS Wien, in einer Stellungnahme: „Wir sehen anhand der Entwicklung, dass Wien ein Problem mit Korruption und Betrug hat.“ Die Redaktion von Fass ohne Boden hat sich die Zahlen genauer angesehen.
Wien: Straftaten
steigen, Aufklärungsquote sinkt
Jahr für Jahr, sprich in den Jahren 2016 bis 2018, stieg die Zahl der Anzeigen von Straftaten in Wien, während die Aufklärungsquote kontinuierlich sank. 2016 wurden 12.000 Straftaten in Wien angezeigt, 2018 waren es bereits 14.087. Im Jahr 2016 wurden 7.503 Straftaten geklärt, 2018 in Summe 7.600.
Gleichzeitig ist die Aufklärungsquote von 61,5% auf 54% gesunken.
So wurden nach §146 (Betrug) 8.496 Straftaten zur Anzeige gebracht, zwei Jahre später bereits 9.601. Die Aufklärungsquote sank hingegen von 56,7% in diesem Delikt auf 45,9%.
Mit anderen Worten: Jedes zweite Betrugsdelikt bleibt im selben Kalenderjahr unaufgeklärt. Darüber hinaus lag im Jahr 2018 die Aufklärungsquote bei dem Delikt „Verletzung des Amtsgeheimnisses“ lediglich bei 23,1%.
Es gibt aber auch Delikte, die eine besonders hohe Aufklärungsquote haben: Veruntreuung, Untreue, Förderungsmissbrauch, Hehlerei und Geldwäscherei. Bei diesen Delikten liegt die Aufklärungsquote bei über 90%. Es sei jedoch erwähnt, dass die Anzeigenanzahl, verglichen zum Betrug, relativ gering ist.
3,2 Milliarden Euro Schadenssumme in Österreich
Aus der Anfragebeantwortung geht hervor, dass die gesamte Schadenssumme der angezeigten Delikte in Österreich im Jahr 2018 3,2 Milliarden (3.221.313.570) Euro ausgemacht hat.
Niederösterreich vs. Wien: Schadenssumme fast 40-fach so hoch
Die Schadenssumme im Vergleich: 2018 entstand in Niederösterreich durch die erwähnten Delikte ein Gesamtschaden von 75,7 Millionen (75.710.982) Euro. In Wien waren es im Vorjahr fast 3 Milliarden Euro (2.949.312.550 Euro), also fast 40-fach so hoch.
Wiederkehr: Wien hat „ein Problem mit Korruption und Betrug“
Die aktuellen Zahlen sind für den NEOS-Klubobmann Wiederkehr ein Alarmsignal: „Wir sehen anhand der Entwicklung, dass Wien ein Problem mit Korruption und Betrug hat. Natürlich gibt es in Metropolen mehr solcher Delikte als am Land – dennoch sind die Zahlen alarmierend und eine dringende Aufforderung an die Politik, zu handeln: Einerseits müssen von Seiten des Bundes die Ressourcen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft massiv erhöht werden. Wir brauchen aber auch konkrete Maßnahmen der Stadt Wien, um im eigenen Bereich Betrugs- und Bestechungsdelikte zu stoppen!“
Neos-Inititative: Wiener Korruptionsbericht
Für Wien schlägt Wiederkehr abschließend vor, „die Schwellenwerte für Vergabeverfahren zu senken. Darüber hinaus braucht es einen jährlichen Wiener Korruptionsbericht, Sensibilisierungsprogramme für Verwaltungsbeamte und Amtsträger in Wien sowie eine Whistleblower-Plattform, wo Mitarbeiter der Stadt anonym und unbürokratisch melden können, wenn ihnen Verdächtiges auffällt.“
Whistleblower-Plattformen
Hinweis des Innenministeriums
Von Seiten des Innenministeriums ist der schriftlichen Beantwortung zu entnehmen: „Für Daten aus dem Jahr laufendem Kalenderjahr 2019 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Experten aus der Wissenschaft im Rahmen des Projektes „Kriminalstatistik neu“ festgestellt haben, dass Aussagen über die Sicherheitslage und die Kriminalitätsbelastung aus quartalsmäßigen, halbjährlichen und monatlichen Zahlenwerten nicht möglich sind, weil daraus gezogene Schlüsse einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten.“
Ein Kommentar oder eine Interpretation der deskriptiven Zahlen sind der Anfragebeantwortung für die Jahre 2016 bis 2018 nicht zu entnehmen.
Quelle: parlament.gv.at
Foto: Lukas Hagelmüller – NEOS Wien