Die Personalie rund um den albanischen Botschafter Fatmir Velaj (auch Fate Velaj) entwickelt sich zunehmend zu einem politischen, diplomatischen und moralischen Problemfall, auch für Außenministerium Beate Meinl-Reisinger. Die Dimension erreicht sowohl die Republik Albanien als auch für ihre internationalen Partner.
Neue Recherchen von Fass ohne Boden (FoB) legen nahe, dass nicht nur seine Ernennung zum Botschafter in Wien höchst fragwürdig war, sondern auch sein gesamter beruflicher und privater Hintergrund von Widersprüchen, Unklarheiten und mutmaßlicher Korruption geprägt ist. Dies wirft nicht nur Fragen zur albanischen Innenpolitik auf, sondern betrifft auch die Sicherheit, Integrität und Transparenz österreichischer Institutionen.
Der dubiose Aufstieg die politische Protektion
Fatmir Velaj wurde 2023 zum albanischen Botschafter in Wien ernannt. So ist zu entnehmen, dass der albanische Präsident Bajram Begaj bereits 2023 die Ernennung von sieben neuen Botschaftern blockiert hat, die von Premierminister Edi Rama vorgeschlagen wurden.
Wie es aussieht, verdankt Velaj seine diplomatische Karriere offenbar dem direkten Einfluss von Premierminister Edi Rama, der ihn trotz fehlender Qualifikation ins Parlament und später in den diplomatischen Dienst hievte.
Verstöße gegen internationale Konventionen
Bis die tatsächliche Ernennung aber vorgenommen werden konnte, musste Velaj erst die österreichische Staatsbürgerschaft niedergelegt werden und seine selbstständige Tätigkeit in Österreich formal beenden. Daher erfolgte die offizielle Ernennung erst 2024.
Velaj besaß zum Zeitpunkt seiner Akkreditierung auch die österreichische Staatsbürgerschaft, ein klarer Verstoß gegen Artikel 8 der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen, der eine solche Doppelstaatsbürgerschaft für Botschafter im Empfangsstaat explizit untersagt. Erst nach Intervention des BMEIA und medialem Druck soll er seine österreichische Staatsbürgerschaft zurückgelegt haben.
Parlamentarische Offenlegung 2018: Velaj mit beachtlichem Privatvermögen
Fate Velaj wurde im Jahr 2017 als unabhängiger Abgeordneter in das albanische Parlament gewählt.
Laut den Selbstangaben gegenüber dem albanischen Parlament verfügte der damalige Abgeordnete Velaj über ein beachtliches Vermögen von rund 1,77 Millionen Euro, exklusive seiner Jahreseinkommen. Zu seinen Vermögenswerten zählen unter anderem 83 Prozent einer 85 Quadratmeter großen Wohnung in Vlora, zwei Bankeinlagen in Wien und Tirana sowie ein Chrysler Voyager.
Besonders hervorzuheben ist seine umfangreiche Kunstsammlung: 200 selbstgemalte Gemälde mit einem geschätzten Wert von 800.000 Euro, 60 Werke ausländischer Künstler im Wert von 400.000 Euro sowie tausende eigene und geschenkte Fotografien im Gesamtwert von 450.000 Euro.
In Kaninë soll Velaj laut dosja.al versucht haben, Olivenhaine aufgrund eines Rechtsstreits zu übernehmen. Zugleich gibt es Berichte, dass er trotz deklariertem Vermögen von knapp 1,8 Millionen Euro staatliche Sozialhilfe in Österreich bezogen haben soll. Dies dürfte in weiterer Folge auch in Österreich ein Fall für die ermittelnden Behörden werden.
Schutz mutmaßlicher Krimineller in der Botschaft?
Die schwerwiegendsten Vorwürfe betreffen seine angebliche Unterstützung für seine Schwägerin, die von der albanischen Anti-Korruptionsbehörde SPAK wegen Geldwäsche im Rahmen des „Toyota Yaris“-Skandals international gesucht wird.
Die albanische Sonderstaatsanwaltschaft SPAK hat die Ermittlungen im sogenannten „Toyota Yaris“-Fall abgeschlossen und vier Personen wegen mutmaßlicher Korruption und Einflussnahme auf die Justiz angeklagt. Zu den Angeklagten zählen der ehemalige Leiter der Staatsanwaltschaft von Vlora, Aurel Zarka, die frühere Kriminalbeamtin Erjona Daupaj, der Anwalt Radovan Çela sowie der Geschäftsmann Astrit Vladi.
Im Juni 2018 wurden 3,4 Millionen Euro in zwei Fahrzeugen beschlagnahmt. Sie gilt als Schlüsselfigur eines Geldwäschenetzwerks zwischen Belgien und Albanien. Laut mehreren Quellen soll sie in der albanischen Botschaft in Wien vor der Justiz versteckt worden sein – mit Wissen und Billigung von Botschafter Velaj.
Velaj soll laut einem Bericht von Prapaskena vom 24. November 2024 seine Schwägerin Erjona Daupaj in der Botschaft in Wien versteckt haben. Die Botschaft könnte ihr als Zufluchtsort gedient haben, was Fragen zur möglichen diplomatischen Immunität und zur Rolle der Botschaft bei der Verhinderung von Justizmaßnahmen aufwirft.
Dieser Vorfall wirft ernsthafte Fragen über die Integrität diplomatischer Einrichtungen und deren mögliche Rolle bei der Behinderung von Justizverfahren auf. Die albanische Regierung und internationale Partner könnten aufgefordert sein, die Angelegenheit zu untersuchen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Aufklärung statt Ablenkung: Fragen an den Botschafter
Die FoB-Redaktion räumte Botschafter Velaj die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Da er sich offenbar auf seine diplomatische und politische Immunität beruft, veröffentlichen wir im Sinne der Transparenz die an ihn gerichteten Fragen:
- Stimmt es, dass gegen Sie und Mitglieder Ihrer Familie Ermittlungen der albanischen Anti-Korruptionsbehörde SPAK laufen?
- Bestehen bei Ihnen oder Ihren Familienmitgliedern Bankkonten oder Vermögenswerte, die derzeit von SPAK oder internationalen Ermittlern überprüft werden?
- Können Sie offizielle Nachweise oder Abschlussurkunden zu Ihren angegebenen Studien in Albanien und Österreich vorlegen?
- Trifft es zu, dass Sie während Ihrer österreichischen Staatsbürgerschaft Abgeordneter im albanischen Parlament waren, ohne die zuständige Behörde MA53 darüber zu informieren?
- Es heißt, dass Sie selbst im BMEIA zur Beschleunigung Ihrer Akkreditierung als Botschafter interveniert haben. Wie rechtfertigen Sie dieses Vorgehen?
- Wie erklären Sie die Tatsache, dass Sie laut Recherchen ein Vermögen von über 1,8 Millionen Euro deklariert haben, aber gleichzeitig staatliche Sozialhilfe bezogen?
- Wie reagieren Sie auf die Anschuldigungen, dass Ihre Schwägerin, die per Haftbefehl von der SPAK gesucht wird, in der albanischen Botschaft in Wien Zuflucht erhalten haben soll?
- Welche offiziellen Leistungen oder diplomatischen Erfolge können Sie bislang in Ihrer Funktion als Botschafter vorweisen?
- In sozialen Netzwerken und politischen Kreisen in Albanien und Österreich wird diskutiert, ob Premierminister Edi Rama Ihre Absetzung nach den Wahlen am 11. Mai vorbereitet. Was sagen Sie dazu?
- Mehrere österreichische und albanische Politiker distanzieren sich von Ihrer Person. Haben Sie ein persönliches Rücktrittsszenario?
- Berichte legen nahe, dass die Botschaft unter Ihrer Leitung über längere Zeiträume nicht erreichbar war. Trifft das zu?
- Wie gehen Sie mit der Kritik um, dass Ihr Fall den bilateralen Beziehungen zwischen Albanien und Österreich erheblich geschadet hat?
- Wird es eine interne oder öffentliche Überprüfung Ihrer diplomatischen Immunität geben, wie es Teile der Opposition in Albanien fordern?
- Wie reagieren Sie auf die Information, dass Ihre Rolle demnächst erneut Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage in Österreich sein wird?
- Mehrere Quellen behaupten gegenüber der Redaktion, Sie hätten die Veröffentlichungen von Fass ohne Boden als Teil einer Oppositionskampagne gegen Premierminister Rama bezeichnet. Wer hat Ihnen diese Information übermittelt, und worauf stützt sich Ihre Aussage?
- Haben Sie persönlich ein Gespräch mit Frau Bundesministerin Beate Meinl-Reisinger geführt, oder mit Vertretern des Außenministeriums, um in Ihre Causa zu besprechen?
Fazit: Ein Fall für diplomatische Konsequenzen
Der Fall Velaj ist kein isolierter Skandal, sondern ein Symbol für strukturelles Versagen und Machtmissbrauch. In sozialen Medien wird er oft ironisch als „der Elektriker“ bezeichnet. Auch Aussagen wie „Ich bin nicht des Amtes wegen gekommen“ lassen Raum für Spekulationen über seine eigentliche Motivation.
Der albanische Botschafter Velaj war für eine Stellungnahme gegenüber Fass ohne Boden nicht erreichbar. Das Außenministerium unter Meinl-Reisinger zeigt sich zurückhaltend, war jedoch bei der Anfrage per E-Mail in Kopie gesetzt.
Zudem gibt es Hinweise, dass Velajs Umfeld mögliche historische Verbindungen zum ehemaligen jugoslawischen Geheimdienst aufweist. Journalistische Teams in Albanien verfolgen derzeit entsprechende Spuren.
Velaj stellt die albanische Regierung, das österreichische Außenministerium und internationale Partner vor die Frage: Wie viel Intransparenz, Protektionismus und moralische Ambivalenz darf sich ein Diplomat leisten? Es ist Zeit für Konsequenzen, politisch, juristisch und moralisch.
Quellen
- FoB.at
- FoB.at
- Bild.de
- Meinbezirk.at
- Pamfleti.net
- dosja.al
- Reporter.al
- Koha.net
- prapaskena.com
- BMEIA interne Akten
- Diplomatische Korrespondenzen
- Parlamentarische Unterlagen aus Albanien