Mehrere Verfassungsschutz-Fotos belegen eine Observation des „bulgarischen Geschäftsmanns“, der ein enger Vertrauter und Mäzen von Barbara Kappel war. Die ehemalige FPÖ-Europaabgeordnete Kappel ist derzeit im Fokus der sogenannten „Postenschacher“-Causa involviert. Die FoB zugespielten Fotos wurden für das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) Wien angefertigt. Diese entstanden per Zufall während eines Spionage-Treffs in einem Wiener Café.
Die Enthüllung von „zackzack.at“ lässt nun Zweifel an der „Geldspenden“-These für ein Mandat als Europaabgeordnete von Kappel aufkommen. „Um einen Skandal zu vermeiden, soll Kappel mit Posten in staatsnahen Betrieben ruhiggestellt werden.“ Noch im vergangenen Jahr war die Rede, dass sie als Geldbotin handelte und 75.000 Euro der FPÖ übergab. Das Geld kam aber laut FPÖ bei der Partei nie an. Die FPÖ dementiert jegliche Verstrickung in die Causa. Wer hat also das Geld bekommen?
Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
Agentenkrimi mitten in Wien
Der bulgarische Geschäftsmann war in den vergangenen Monaten immer wieder in den Medien (siehe Causa „Philipp Buchner“). Der in Wien lebende Unternehmer unterhält laut bulgarischen Medien engste Kontakte in die bulgarische und internationale Nachrichtendienstszene. Bereits 2011 hatte der österreichische Verfassungsschutz ihn im Visier.
Die Fotos entstanden „durch Zufall“ im Zuge einer Besprechung mit dem LVT-Beamten. Diese wurden am 21. April 2011 von einem Nachrichtendienstangehörigen und auf Wunsch des LVT-Beamten G. G. angefertigt. Der Fotograf, sprich die Quelle, dürfte vermutlich selbst Agent sein.
Seit September 2009 war dieser für das LVT-Wien zur Gegenspionage tätig und wurde durch den LVT-Beamten G. G. als Agent, der laufend Aufträge für den LVT durchgeführt hat, geführt. Der LVT-Beamte G. G. bat seinen Gesprächspartner ein Bild vom „bulgarischen Geschäftsmann“ zu machen, da er „Kundschaft“ sei. Mit “Kundschaft” ist im Polizeijargon eine Zielperson gemeint, gegen die ermittelt wird. Darüber hinaus dürfte er, laut WKStA-Unterlagen, “zumindest bis 2017” für das BVT agiert haben.
LVT-Besprechung: Öl, Gaddafi und UN-Sanktionen
Während die Fotos vom bulgarischen Geschäftsmann gemacht wurden, erfolgte ein Austausch der zwei Spione über das Umfeld von Saif al-Islam al-Gaddafi. Beurteilt wurden die brisanten Aussagen beim UN–Tribunal in Den Haag und die Akteure M. Z., ein lybisch-österreichischer Geschäftsmann, die, vom Agenten für das LVT geführte, Quelle „Fessan“, Berichtsname „Sandfisch“ und M. I., ein ehemaliger Mitarbeiter des libyschen Geheimdienstes. M. I. „galt als Vertrauter des Diktatorensohnes Saif Gaddafi und als rechte Hand von Ex-Geheimdienstchef Abdulah Senoussi.“ (Die Presse, 12. September 2012, Seite 5)
2012 pflegte M.I. aber auch gute Beziehungen zu einem Mineralölunternehmen aus Österreich und einem BVT-Beamten. Doch bevor M. I. Ende August 2011 festgenommen werden konnte, lybische Behörden suchten ihn seit Monaten, floh dieser eine Stunde vor seiner Verhaftung mit einem Privatjet Richtung Ägypten. Es gab auch ein Happy End für das Mineralölunternehmen. Der sogenannte „Diesel-Deal“ wurde trotz UN-Sanktionen erfolgreich abgeschlossen.
Dank BVT-Hausdurchsuchung nun Belege vorhanden
Die österreichische Quelle, sprich der Agent, ist in einer Vielzahl an brisanten Aktivitäten der österreichischen Nachrichtendienste verstrickt und nicht nur bei der Observation des „bulgarischen Geschäftsmanns“. Dieser half angeblich bei der Befreiung einer Geisel in Libyen im Jahr 2015 und zu der dazugehörigen Lösegeldbezahlung Anfang 2016 für einen österreichischen Unteroffizier der österreichischen Spezialeinheit Jagdkommando. Über diese Angelegenheit herrscht lediglich „ein Nebel des Schweigens“. Verständlich, den nach der Befreiung dürfte Lösegeld gefehlt haben.
Aus Unterlagen der WKStA geht hervor, dass der Agent “zumindest bis 2017” für das BVT tätig gewesen sein sollte. Dieser soll als Ansprechpartner für den damaligen BVT-Vizedirektor Wolfgang Zöhrer agiert haben. Ob dies aber wahr ist oder lediglich um eine Schutzbehauptung des ranghohen BVT-Beamten handelt, wird sich in den kommenden Monaten weisen (FoB berichtete über weitere BVT-Recherchen für 2020).
Aber auch personenbezogene Unterlagen der österreichischen Quelle wurden von BVT-Beamten für „private“ Personen organisiert und vermutlich an Dritte weitergegeben. So sei ein ehemaliger ÖVP-Klubchef, der nun Verfassungsschützer ist, an dieser Stelle genannt. Das dürfte nicht die letzte Unstimmigkeit im BVT gewesen sein.
LPD Wien und “bulgarischen Geschäftsmann” mit einer Stellungnahme
Doch wie kam es zum überhaupt zum Outsourcing und der Amtshilfe? Warum wurden überhaupt Fotos vom bulgarischen Geschäftsmann angefertigt?
Die Presseabteilung der Wiener Polizei in einer schriftlichen Stellungnahme: „Die LPD Wien beantwortet mit Hinweis auf das Datenschutzgesetz grundsätzlich keinerlei Medienanfragen zu personsbezogenen Daten bzw. zu Amtshandlungen bestimmten Personen gegenüber, egal ob in staats-, kriminal- oder verwaltungspolizeilichem Kontext. Ferner wären und sind staatspolizeiliche Agenden sowie konkrete Arbeitsweisen und Prozedere des LVT Wien aus Interessen des Staatsschutzes und der Geheimhaltung grundsätzlich nicht medienöffentlich. Aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Skartierungsfrist würden außerdem Aktenvorgänge die länger als sechs Jahre zurückliegen nicht mehr aufliegen.“
Auch der betroffene bulgarische Geschäftsmann wurde mit der Observation des LVT konfrontiert. Dieser kann sich nicht erklären, warum der Verfassungsschutz ihn fotografiert habe. Auf die Frage, warum er als „Kundschaft“ vom LVT-Beamten bezeichnet wurde, erhielt die Redaktion als Antwort „Keine Ahnung.“ Eine Stellungnahme ist „unmöglich, da die allfälligen Methoden“ der Exekutive dem bulgarischen Unternehmer nicht bekannt waren. Der „bulgarische Geschäftsmann“ wiederum wird nun rechtliche Schritte gegen das LVT in Erwägungen ziehen. Diese sollen nun in Absprache mit seinem Anwalt erfolgen.
Fazit
Warum der Beamte auf solche Methoden zurückgreifen musste, ist in der Tat banal. Der LVT-Beamte hatte kein Smartphone und keine Digitalkamera bei sich. Daher musste der Gesprächspartner in der Observation einspringen und die Fotos machen. In Summe stellt die Causa für den Verfassungsschutz eine Blamage dar.