Ankündigung: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat am Montag den offiziellen Startschuss für eine „umfassende Pflegereform” erteilt. Bis zum Jänner sollen die „inhaltlichen Fixpunkte” auf dem Tisch liegen. 2021 soll die Umsetzung in Etappen erfolgen.
Er wolle der für Mitte Oktober geplanten Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) nicht vorgreifen, erklärte Anschober bei einer Pressekonferenz am Montag. Klar sei aber, „dass wir künftig mehr Geld in die Hand nehmen müssen, anders wird es nicht gehen”. Denn gegenwärtig befinde sich Österreich bei den Pflegeausgaben im europäischen Vergleich im unteren Drittel.
Eine Taskforce-Gruppe werde sich daher etwa mit den Finanzströmen im Bereich Pflege auseinandersetzten und diese entflechten müssen. „Wir haben uns viel vorgenommen, aus meiner persönlichen Sicht wird es nicht ohne Neuordnung der Finanzflüsse gehen”, so Anschober mit Blick auf die unterschiedliche Finanzierung in den Ländern.
Rekrutierung von Pflegepersonal
Auch die Rekrutierung von ausreichend Personal werde künftig eine „große Herausforderung” sein. Schätzung gehen davon aus, dass es bis zum Jahr 2030 zusätzlich 76.000 Vollzeitäquivalente in diesem Bereich brauchen werden wird. Anschober rechnet wegen der Teilzeitlastigkeit in diesem Berufsfeld mit einem Bedarf an 100.000 zusätzlichen Pflegekräften.
Überhaupt will Anschober keine Reform „über die Kopfe der Betroffenen” hinweg, sondern vielmehr auf deren Know-how aufbauen. Daher habe man bereits im vergangenen Jänner eine Dialogtour gestartet, mittlerweile sechs Bundesländer besucht und weit über 200 Gesprächsrunden absolviert. Zudem habe man im Sommer eine digitale Informationstour mit einer Online-Befragung gestartet, an der sich über 3.000 Personen – teils Mitarbeiter, pflegende Angehörige oder Betroffene – mittels Fragebogen eingebracht haben. Diese habe ein recht einheitliches Bild über den Status quo und die Reformnotwendigkeiten gezeigt.
Anschober kündigte für den 20. Oktober eine erste große Veranstaltung an, in der alle eingeladen sind mitzureden. Bis Anfang des kommenden Jahres soll dann der Prozess abgeschlossen sein. Im Februar 2020 will der Gesundheitsminister dann in die Umsetzung gehen, „um ein Pflegesystem aus einem Guss zu realisieren”. Das Programm sei „sehr ambitioniert”, so Anschober, der sich aber sehr viel davon verspricht.
SPÖ und FPÖ mit Kritik, NGOs sehr erfreut
Die SPÖ verwies auf ihr eigenes Paket. Dieses liege „seit Jahren” vor, so SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec freute sich über den Startschuss und forderte abermals eine Finanzierung aus einer Hand. Kritik kam von der FPÖ, die „eine Nullnummer” ortete. So vermisste FPÖ-Chef Norbert Hofer konkrete Maßnahmen. Anschober habe ein Dreivierteljahr gebraucht, „um festzustellen, dass das Pflegesystem und dessen Finanzierung äußerst komplex sind”.
Auch Volkshilfe und Hilfswerk begrüßten den Fahrplan. Für Ewald Sacher, Präsident der Volkshilfe Österreich, habe dieser das Potenzial, eine „wichtige Weichenstellungen” für ein zukunftsfittes Pflege- und Betreuungssystem zu sein. Sacher zeigte sich erfreut darüber, dass die Stimmen der beteiligten Organisationen, der Betroffenen und ihrer Angehörigen gehört werden sollen. Ähnlich der Präsident des Hilfswerk Österreich, Othmar Karas: „Österreich braucht eine echte Reform in der Pflege, keine Kosmetik und kein Flickwerk, sondern einen großen Wurf, der unser System angesichts der Herausforderungen zukunftsfähig aufstellt.”