Unter anderem bezweifeln die Prüfer, dass die Volkspartei die Wahlkampfkosten korrekt abgerechnet hat. Um das zu klären, schickt der Rechnungshof erstmals einen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale. Außerdem wertet der Rechnungshof die mit Corona-Hilfsmitteln geförderten Vereine des ÖVP-Seniorenbundes als Teil der ÖVP.
Zwar hat sich der Rechnungshof noch nicht mit den umstrittenen Corona-Förderungen für die ÖVP-Seniorenorganisation befasst. Dies wird erst mit den türkisen Finanzberichten 2020 und 2021 erfolgen. Sehr wohl befasst haben sich die Prüfer aber mit der dahinterliegenden Frage, ob die türkis-schwarzen Seniorenorganisation tatsächlich von der Partei unabhängige Vereine sind oder vielmehr ein Teil der ÖVP.
Als Teil der ÖVP hätte der Seniorenbund keine Coronahilfen beziehen dürfen. Und für den Rechnungshof ist klar, dass die Seniorenvereine tatsächlich der ÖVP zuzurechnen sind. Die Prüfer verweisen auf oftmals deckungsgleiche Vereinssitze direkt in der jeweiligen Bundes- oder Landesparteizentrale, auf einschlägige Formulierungen in den Beitrittserklärungen und auf die Selbstbeschreibung des Seniorenbundes aus 2021: „Mehr als nur ein Bund. Verein, Teilorganisation und Interessensvertretung in einem.”
Klären muss die Frage nun der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) im Kanzleramt bzw. in weiterer Folge das Bundesverwaltungsgericht. Ebenfalls beim UPTS angezeigt hat der Rechnungshof die Inseratenaffäre des Vorarlberger Wirtschaftsbundes. Dazu haben die Prüfer die 1,6 Mio. Euro Inserateneinnahmen 2019 mit dem in Aufmachung und Umfang ähnlichen „Gemeindeblatt für die Landeshauptstadt Bregenz” verglichen, wo solche Inserate nur 268.000 Euro erbracht hätten. Die Differenz von 1,3 Mio. Euro hat der Rechnungshof als verdeckte Parteispende an den Senat gemeldet.
Ebenfalls als verdeckte bzw. unzulässige Parteispenden angezeigt wurden Wahlkampfinserate in der „Niederösterreich Zeitung” der ÖVP (64.000 Euro), die Werbung des Landwirtschaftsministeriums für den Bauernbundball (43.200 Euro) sowie zwei vom Finanzministerium in Auftrag gegebene Umfragen vor der EU-Wahl 2019 (26.208 Euro).
Apropos: Dass die ÖVP für die EU-Wahl 2019 mehr Geld ausgegeben haben will, als für den politisch deutlich wichtigeren Nationalratswahlkampf, wollen die Prüfer nicht glauben. Laut ÖVP flossen in die EU-Wahl nämlich 6,9 Mio. Euro und in die Nationalratswahl nur 5,6 Mio. Euro. Außerdem liegen dem Rechnungshof mutmaßlich ÖVP-interne Unterlagen vor, die die Einhaltung der Kostengrenze zweifelhaft erscheinen lassen. Weil die ÖVP Fragen dazu teils unbeantwortet ließ, soll nun ein Wirtschaftsprüfer die Unterlagen der Partei überprüfen. Das Auswahlverfahren wurde am Freitag gestartet.
Die Prüfung der Parteibilanz hat unüblich lange gedauert, denn von September 2020 bis April 2022 hat die ÖVP drei verschiedene Fassungen ihres Rechenschaftsberichts eingereicht. Außerdem löst der Rechenschaftsbericht weitere Prüfungen aus. Unter anderem will der Rechnungshof nämlich untersuchen, ob bei der Betreuung der Social Media Accounts von Regierungsmitglieder zwischen Partei- und Regierungsmitteln unterschieden wird.
Download: Rechenschafsbericht der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) [download id=“69441″]