Noch sind die Ergebnisse inoffiziell und die Veröffentlichung steht aus. Aber Insider-Informationen gibt es schon. Die Rede ist vom brandneuen RH-Bericht zum Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV). Geprüft wurde diesmal die KAV-Generaldirektion und deren Organisation. Man ging in diesem Prüfverfahren direkt an den Zustand des Führungskerns im KAV und schälte diesen fein säuberlich heraus. Und dabei kam leider einige Fäulnis ans Tageslicht.
Daher traue ich mich zu prophezeien: Der Bericht wird seine Wirkung zeigen und man wird dessen Inhalte nicht einfach zur Kenntnis nehmen und danach zur Tagesordnung übergehen können.
Einige wichtige und vermutlich folgenreiche Diagnosen des Berichts sind hier zu lesen.
- Es gibt keine gesamthafte Risikostrategie und kein ganzheitliches Risikomanagement. Das ist für einen Betrieb, der für die Krankenversorgung ganz Wiens zuständig ist, ein desaströser Befund. Weder der Aufsichtsrat noch der Generaldirektion noch die politisch verantwortliche Stadträtin haben so ein System eingefordert.
- Das interne Revisionssystem ist sehr stark in das Management eingebunden, eine Funktionstrennung findet nicht wirklich statt. Das widerspricht dem grundsätzlich notwendigen Prinzip der Trennung im Kontrollwesen.
- Das vorhandene Projektmanagementwissen wurde nicht gebündelt, statt hausinterner vorhandener Experten wurden externe Berater hinzu gezogen – obwohl hohe hauseigene Kompetenzen verfügbar sind.
- Das Beschaffungsvolumen im KAV ist erheblich und macht pro Jahr ca. 1 Mrd Euro aus. Der KAV ist damit der österreichweit größte Einkäufer im Gesundheitsbereich. Es fehlen jedoch grundlegende Elemente eines Beschaffungs-Controlling. Das „Beste“ daran: In der Generaldirektion fehlt eine zentrale Erfassung bzw. ein Überblick darüber, wer überhaupt wo warum etwas einkauft.
- Im KAV besteht keine Übersicht über alle Rahmenvereinbarungen und Rahmenverträge. Es war und ist zum Teil gar nicht bekannt, dass in Teilbereichen die Finanz-Volumina längst überschritten sind. Manche Rahmenverträge sind überhaupt unbefristet abgeschlossen.
- Im Apothekenberich sieht der KAV unterschiedliche Verfahren vor, in denen nicht immer das Bundesvergabegesetz 2006 Grundsatz war.
- Im KAV fehlt ein aussagefähiges betriebswirtschaftliches und medizinisches Controllingsystem.
- Der KAV verfügt über keine Kostenträgerrechnung.
- Seit Jahren gibt es parallel zwei Versionen von Software, die die ablaufenden Geschäftsprozesse unterstützt. Um diese zusammen zu führen, wurde ein Beratungsunternehmen engagiert, das allein 2015 über 2,2 Mio Euro für Projekte bekam, die nur ganz allgemein formuliert waren.
- Der KAV erstellt einen jährlichen Wirtschaftsplan und einen mehrjährigen für fünf Jahre. Dem Plan fehlt die Vollständigkeit, es gibt keine Angaben über Tilgungsverfahren und Finanzierungsformen.
- Das Controlling basiert auf keinem organisationsweiten Konzept. Es wurden Schritte gesetzt, das zu verbessern, aber der Vorstand verzögerte die Entscheidungen.
- Es gibt keine langfristige Strategie für den Vorstandsbereich Personal. Die Entwicklung eines Personalmanagementkonzepts wurde begonnen, aber nicht zu Ende geführt. Es gab trotz 29.000 Mitarbeitern kein Personalcontrolling. Mit diesem wurde erst im Juni 2016 begonnen – und zwar von einem einzigen Mitarbeiter. Der Magistrat stellt der Generaldirektion die Personaldaten nur sehr eingeschränkt zur Verfügung.
- Im Jahr 2012 wurde von der Stadträtin ein Aufsichtsgremium installiert. Es besteht aus 8 Personen, die aus den Bereichen Wirtschaft, Medizin und Pflege kommen. Es gab aus diesem Gremium erst seit 2014 schriftliche Protokolle. Die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat, Stadträtin und Vorstand des KAV werden wortwörtlich als mangelhaft bezeichnet. Der Aufsichtsrat verfügt auch über keinerlei Sanktionsmöglichkeiten, laut Bericht gab es aber seitens des Vorstandes mehrfache Zuwiderhandlungen entgegnen den Beschlüssen der Stadträtin. Aber auch der Aufsichtsrat kam seinen Verpflichtungen nicht immer nach: Es wurden z.B das Personalmanagement und die Antikorruptionsmaßnahmen vernachlässigt.
- Seit dem Jahr 2014 verdreifachten sich die externen Beraterleistungen. Im Zeitraum 2012 – 2015 beliefen sich die Kosten auf 48,2 Mio Euro. Allein die Generaldirektion gab davon 37,25 Mio Euro aus. Vor der Vergabe wurden keine nachvollziehbaren Kosten-Nutzen-Analysen durchgeführt.
- Die Verbuchung war teilweise intransparent. So waren 6,18 Mio Euro weder einem Projekt noch einem Auftrag zugeordnet. Erst 2015 wurde eine transparente Vergabe implementiert.
- Die Vergabemodalitäten verliefen im Sinne einer Direktvergabe. Vergleichsangebote waren nicht dokumentiert. Vergaben erfolgten immer wieder in Tranchen unter 100.000 Euro, obwohl in einigen Fällen die Aufträge zusammengehörten. Dies erfolgte offensichtlich, um auf diesem Weg den Vorgaben des Bundesvergabegesetzes auf eine besondere Weise gerecht zu werden – es fehlten allerdings nachvollziehbare Begründungen für die Aufteilungen und entsprechende Unterlagen.
Der Rechnungshof gab angesichts dieser Mängel insgesamt 67 valide Empfehlungen ab, die herrschenden und teils haarsträubenden Missstände zu bessern. Diese werden dann im offiziellen RH-Bericht zu lesen sein.
Ob die geplante Privatisierung des KAV mit den delikaten, hier geschilderten Zuständen zusammenhängt? Allerdings: Welcher Private wird sich so ein Unternehmen antun, wenn er es nicht total und zur Gänze übernehmen und all diese Probleme radikal lösen kann? Wie könnte eine private Betriebsführung bei bestehen bleibender Trägerschaft angesichts der vom RH festgestellten Zustände aussehen? Oder will man eh nur den alten Wein in neue Schläuche füllen, um die Zustände zu verschleiern? Fragen über Fragen…