Die Geldflüsse der Ibiza-Hintermänner aus der Vergangenheit führen nicht nur zu einem namhaften Tabakkonzern, sondern auch in die Baubranche, in den Straßenbau, zeigen aber auch den Einsatz der Sicherheitsfachkräfte im Bereich der Eisenbahnzulieferer und eine Involvierung in den Handel. Namhafte Juristen stehen ebenfalls auf der Payroll des Sicherheitsunternehmen bzw. waren mit der Aufarbeitung vom Ibiza-Umfeld involviert. Doch was bringt eine tausendfach gelesene Enthüllung, wenn nur wenige Medien die Enthüllungen aufgreifen?
Wir müssen daher nachlegen.
Ehemaliger Innenminister Kickl kommentiert die FoB-Enthüllung
Der ehemalige Innenminister darf mittlerweile zu den Fass ohne Boden Lesern gezählt werden. Wie Herbert Kickl auf den Artikel „Ibiza-Netzwerk: Undercover für Bundeskriminalamt und Finanzpolizei“ reagiert hat, kann man seiner Facebook Seite entnehmen:
Skandal um Zusammenarbeit zwischen Bundeskriminalamt und Ibiza-Video-Produzent erschüttert Rechtsstaat
Herbert Kickl
Darüber hinaus stellt der geschäftsführende freiheitliche Klubobmann in seiner OTS-Aussendung fest: „Dass das BK [Bundeskriminalamt] offenbar bereits seit Jahren auf Ermittlerebene ausgerechnet mit jenem Mann eng zusammenarbeitet, der einer der Hauptproduzenten des mutmaßlich illegal erstellten Ibiza-Videos sein soll, ist in höchstem Maße erschütternd.“ (ots.at)
2013: Netzwerk von Zigarettenschmugglern wird gesprengt
2013 war J. H. maßgeblich bei Ermittlungen gegen ein kriminelles Zigarettenschmuggler-Netzwerk verantwortlich. Es muss an dieser Stelle noch einmal festgehalten werden, dass die Observation und Infiltration des kriminellen georgischen Netzwerks von einem Tabakkonzern bezahlt wurde. Man könnte auch sagen, man hat die Ermittlungen „outgesourct“.
Die 12.000 Dateien, die die FoB-Redaktion aus dem direkten Umfeld der Drahtzieher der Ibiza-Affäre erhalten hat, haben es in sich: Die Dokumente belegen Kooperationen von Bundeskriminalamt, Finanzpolizei, aber auch eine Kooperation mit dem Zoll aus Österreich.
Operation “Lindwurm”
Aus den Dokumenten, die der Fass ohne Boden Redaktion vorliegen, geht hervor, dass „The Group“ mit dem Zoll aus Österreich bereits 2011 intensiv zusammengearbeitet hat. Und auch in diesem Fall wurde das Projekt vom Tabakkonzern finanziert. Das von Sascha W. gegründete Sicherheitsunternehmen verfasste sogenannte „4 Monats Report“:
Den Dokumenten ist zu entnehmen, dass die Sicherheitsfachkräfte von Sascha W. über sehr gute Informationen verfügt haben: „Wir konnten die genaue Adresse in Wien 1100 Wien XXX identifizieren. An dieser Adresse ist auch das ungarische Transportunternehmen XXX handelsrechtlich registriert. […] Über dieses Unternehmen werden monatliche illegale Transporte mitgefälschten XXX Produkten zwischen 100 bis 200 Mastercases pro Monat nach Wien geliefert, und von dort aus im Großraum Wien weiterverkauft.“
Die intensive Zusammenarbeit wird nicht nur durch die namentliche Nennung des verantwortlichen Ermittlers vom Zoll belegt, sondern darüber hinaus auch mit der Aktenzahl. Die verdeckten Ermittlungen erstreckten sich in diversen Bundesländern und länderübergreifend: “Linz, Salzburg, Kärnten und Frankfurt.”
An Selbstvertrauen hat es dem Unternehmen nicht gefehlt: “Wir werden bis zum Projektende und auch danach eine nach den anderen illegalen Lieferungen nach Wien, Linz, Salzburg und Kärnten durch den Zoll abfangen lassen.”
Konfrontation der Beteiligten
Bereits vergangene Woche hat der betroffene Tabakkonzern die Echtheit von “Mezzo” bestätigt. Operation “Lindwurm” ist das Vorgängerprojekt. Auf einen Rückruf des Pressesprechers vom Finanzministerium wartet die Redaktion seit letzter Woche vergeblich.
Das Bundeskriminalamt hat sich dann doch nach Tagen der Vorbereitung und Sichtung des Materials auserwählt gefühlt, der Fass ohne Boden Redaktion zu antworten. Was aber fünf Tage an der Beantwortung der Presseanfrage gedauert hat, muss der Leser selbst entscheiden:
Das Bundeskriminalamt kommentiert nur Fakten, keine unbestätigten Berichte. Hinsichtlich der Sonderkommission zur Aufklärung der Umstände wird auf die zuständigen Staatsanwaltschaften verwiesen. Alle vorgesehenen Schritte wurden in die Wege geleitet.
Pressestelle Bundeskriminalamt
Ad “Mezzo”: Fragen an das Bundeskriminalamt
Fun Fact: Jener Pressesprecher, der letzte Woche die Fass ohne Boden Presseanfrage entgegennahm, ist seit Montag im Urlaub. So gesehen, hätten wir als Redaktion sicher noch eine, wenn nicht sogar zwei Wochen warten dürfen. Daher habe ich mich am Montag beim Ressortsprecher des Innenministeriums mündlich und schriftlich beschwert und darauf verwiesen, dass die Redaktion auf eine Stellungnahme wartet. Die Urlaubsvertretung, erhielt nach der sehr kurzen Beantwortung, folgende Fragen, die wir transparent an die Öffentlichkeit kommunizieren:
- “Warum hat Herr K., trotz mündlicher Zusage, bis Freitag, 12.07.2019 unsere Presseanfrage nicht beantwortet? Verstehen Sie mich nicht falsch: Den Inhalt Ihrer Beantwortung hätte Herr K. genauso bereits am Mittwoch beantworten können. Es handelt sich dabei um standardisierte Sätze.
- Was für Fakten würden Sie noch benötigen? Die vorhandenen Daten/Berichte über “Mezzo” sind von drei Quellen belegt, inkl. dem betroffenen Tabakunternehmen.
- Hat das Projekt “Mezzo” zu Anklagen bzw. Verurteilungen geführt? Ich zitiere: “Several members – including the head of the network – were taken into custody or were arrested for shorter and longer period.”
- Gibt es einen Vertrag, der die schriftliche Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt/Innenministerium und dem Tabakkonzern (Oktober 2013) regelt, in Form eines Vertrages, diesen sie aber nicht kommentieren möchten, weil er der Geheimhaltung unterliegt? Hierzu gibt es auch ein ELAK-Stück.
- An welche Staatsanwaltschaft müsste ich mich wenden, um Auskunft zu erlangen? Staatsanwaltschaft Wien bzw. Wr. Neustadt?
- Wann bzw. welche Sonderkommission wurde zur Aufklärung der Umstände eingerichtet? Betrifft es den Fass ohne Boden Artikel, sprich gegen mein Medium? Betrifft es die Umstände zur Causa “Mezzo”? Oder betrifft es den damaligen Ring an Strafverdächtigen, die 2013 erfolgreich überführt wurden?”
FoB-Enthüllung wird Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage
Der FPÖ-Sicherheitssprecher, Hans-Jörg Jenewein, hat eine umfassende parlamentarische Anfrage über die mutmaßliche Zusammenarbeit des „Ibiza-Detektivs“ J. H. mit Ermittlern des Bundeskriminalamts und der Finanzpolizei eingebracht. „Ich halte es für rechtsstaatlich völlig unzulässig, wenn Ermittlungsbehörden private Schnüffler gewähren lassen, sich von ihnen regelmäßig berichten lassen und dann – anstatt die Ermittlungsarbeit selbst zu erledigen – die Erfolge verkaufen. Immerhin steht angesichts der nun bekannten sonstigen Tätigkeiten der beteiligten Firma zu befürchten, dass man sich nicht nur legaler Methoden bedient haben könnte“, so Jenewein.
Darüber hinaus kritisiert Jenewein die Umstände und stellt in Frage, da der betroffene Tabakkonzern in einer Stellungnahme angibt, dass man derartige Kooperationen im Kampf gegen “den illegalen Zigarettenhandel nur mit „behördlich registrierten Informanten“ eingeht. „War also auch dieses umstrittene Unternehmen ein solcher behördlich registrierter Informant? Und wenn ja, welche Voraussetzungen muss man dafür erfüllen? Wie viele solcher registrierter Informanten gibt es beim Bundeskriminalamt bzw. bei der Finanzpolizei?“, will Jenewein von Innenminister Peschorn und Finanzminister Müller wissen.”
Zur parlamentarischen Anfrage von Hans-Jörg Jenewein.
Die schriftliche Anfrage im Detail.
Tabakkonzern: Projekt Mezzo und Operation Daviscup
Bisherige Publikationen über den Tabakkonzern auf einen Blick:
- Mezzo-Verschlussakt: Operation “Daviscup” – Beamte vom Bundeskriminalamt und der Finanzpolizei involviert
- Die Vorstrafen des Ibiza-Netzwerks
- Ibiza-Netzwerk: Peilsender, Kripo, Mezzo
- Über Kriminalbeamte, Mezzo und Soko-Ibiza
- Ibiza-Hintermänner ermittelten für LKA, BK und Finanzpolizei
- Projekt “Lindwurm”: Ibiza-“Privatschnüffler” und Zoll
- Ibiza-Netzwerk: Undercover für Bundeskriminalamt und Finanzpolizei