Eine Vielzahl an Unternehmen agieren unprofessionell, versuchen jedoch, eigene Dienstleistungen unter dem Deckmantel von “Fake OSINT” zu verschleiern, um gezielt “Schmutzkampagnen”, “Negative Campaigning” oder “Dirty Campaigning” durchzuführen.” Es gibt unzählige Begriffe hierfür, aber die terminologischen Unterscheidungen vereinen ein Ziel und einen Zweck: der öffentliche Reputation einer “Zielperson”, einer Partei oder einer Organisation durch „Fake OSINT“-Methoden in Verruf zu bringen. Im schlimmsten Fall wird die öffentliche Reputation sogar zerstört. Privatpersonen verlieren ihre finanzielle Grundlage, beispielsweise ihren Job, manche Personen dürfen in weiterer Folge nicht mehr ein Konto eröffnen und in Härtefällen werden sogar strafrechtliche Ermittlungen gegen „Zielpersonen“ eingeleitet. Das wohl berühmteste Beispiel in Österreich ist wohl die sogenannte „Ibiza-Kampagne“.
Unabhängig davon, wie man das Geschäft der sogenannten „Dirty Tricks“ nennt, sind diese Methoden seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil professioneller Wahlkampfstrategien in den USA. In den USA sind sogenannte „Oppo-Researcher“ nur dafür zuständig, damit kompromittierendes Material über „Zielpersonen“ gefunden wird. Einige „Oppo-Researcher“ arbeiten ausschließlich für Demokraten, andere nur für Republikaner, während andere sich als „Watchdogs“ positionieren und Ungereimtheiten unabhängig von der Parteizugehörigkeit aufdecken. Die Grenzen zu investigativem Journalismus sind bereits sehr schwammig.
„Dirty Campainging“ und „Silberstein-Methoden“
Die begrifflichen Grenzen zwischen diesen zweifelhaften Methoden verschwimmen zunehmend. Auch in Österreich und Deutschland haben sich diese Techniken etabliert, wenn auch nicht in der gleichen Professionalität wie in den USA. In Österreich erlangten die sogenannten „Silberstein-Methoden“ 2017 erstmals größere Bekanntheit. In Deutschland liest man ebenfalls vermehrt von schmutzigen Wahlkampfstrategien, doch über die Akteure oder Dienstleister ist kaum etwas bekannt. Die Szene ist verschwiegen, der Informationsfluss minimal – es gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.
Besonders interessant wird es, wenn diese Methoden auch im wirtschaftlichen Bereich zum Einsatz gebracht werden. Im Rahmen einer Recherche zu Plagiatsforschern in der DACH-Region stieß die investigative Rechercheplattform „Fass ohne Boden“ auf das Unternehmen Plan4Risk – mit brisanten Erkenntnissen.
Plan4Risk und Malte Roschinski
Plan4Risk ist ein Berliner Unternehmen, das sich laut eigenen Angaben auf Risiko- und Krisenmanagement spezialisiert hat. Das Team besteht aus „Experten mit interdisziplinärer Kompetenz“ und kombiniert „Erfahrungen aus Militär und Nachrichtendiensten mit Kenntnissen aus Konfliktforschung, Psychologie und Medien“. So bietet das Unternehmen „einzigartige und maßgeschneiderte Dienstleistungen im Sicherheits- und Risikomanagement“ an.
Hinter dem Unternehmen steht Malte Roschinski, ein sogenannter „Sicherheitsexperte“. Er studierte Konfliktforschung und Nachrichtendienststudien am renommierten Londoner King’s College. Seine Karriere begann er als Journalist bei AFP, gefolgt von Positionen als Sicherheitsanalyst und Berater im Sicherheitssektor. Auf seinem LinkedIn-Profil findet sich allerdings kein Hinweis auf militärische oder geheimdienstliche Erfahrung – kein Wunder, da er sich selbst als “bekennender Kriegsdienstverweigerer” positioniert.
Plan4Risk präsentiert sich in den Medien als Unternehmen, das Risikoanalysen erstellt und Sicherheitsmaßnahmen für Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Unternehmen oder Privatpersonen entwickelt, die in Krisenregionen reisen. Doch es gibt eine dunkle Seite: Eine verdeckte, „einzigartige Dienstleistung“ von Plan4Risk, wurde von „Fass ohne Boden“ genauer untersucht.
Methoden von Plan4Risk à la Tilman Roschinski
Das Unternehmen verwendet Methoden, die eher an Geheimdienstoperationen erinnern als an die analytischen Ansätze von Organisationen wie dem BND oder DSN. Im Grunde handelt es sich um gezielte Negativ-PR.
Die sogenannten „OSINT-Researcher“ des Unternehmens veröffentlichen Präsentationen und Recherchen über sogenannte „Troll-Accounts“. Diese Videos, die auf Plattformen wie YouTube und X erscheinen, prangern Geschäftsleute, Wissenschaftler und Influencer an, die angeblich ihre akademischen Titel erschlichen haben. Die Betroffenen können sich juristisch kaum wehren, da die Videos unter Alias-Namen veröffentlicht werden.
Besonders unprofessionell ist es, wenn in einem solchen Video digitale Spuren hinterlassen werden, die eindeutig auf Plan4Risk zurückzuführen sind. In einem dieser „OSINT-Videos“ ist der Plan4Risk Projektname zu sehen, dass das Unternehmen direkt identifiziert und nennt. (Anm. d. Red.: Der Link ist „Fass ohne Boden“ bekannt, und das Video wurde als Beweis gesichert, aus medienrechtlichen Gründen verzichten wir auf eine Verlinkung) Wenn man so will, diese „Fake-Osint-Methoden“ lassen die Vermutung zu, dass es sich um einen gezielten Auftrag handelt – wer der Auftraggeber ist, bleibt jedoch zum jetzigen Zeitpunkt unklar.
Folgt man weiteren Spuren im Netz, stößt man auf einen X-Account mit dem Namen „Tilman Plan4Risk“, der direkt mit dem Unternehmen in Verbindung steht. Und wie der Zufall so will, handelt es sich dabei um den Bruder von Malte Roschinski, Tilman Roschinski, der in den USA lebt.
OSINT-Spuren führen nach Utah und zum Bezirksgericht
Im sogenannten „Justice Calendar“, einer öffentlich zugänglichen Datenbank für gerichtliche (straf- und zivilrechtliche) Einträge in den USA, finden sich Nennungen zu Tilman Roschinski. Dieser ist in der Datenbank mehrfach mit verschiedenen Aktenzeichen zu finden (Anm. d. Red.: Aus medienrechtlichen Gründen werden an dieser Stelle keine weiteren Details erörtert.) Besonders spannend ist die Tatsache, dass Tilman Roschinski, nach den Einträgen in das Gerichtssystem von West Jordan (Utah), sein Laufbahnbild von einem Geologieforscher zu einem „OSINT-Researcher“ änderte.
„Fass ohne Boden“ konfrontiert Plan4Risk
Am Mittwoch, dem 18. September, konfrontierte die Redaktion das Unternehmen Plan4Risk, um zu erfahren, wie die wirtschaftliche Beziehung zu Tilman Roschinski aussieht, wie das Unternehmen die spezifischen Dienstleistungen in Bezug auf Due Diligence und die Überprüfung von Diplomarbeiten bezeichnet und welche Kosten für solche Recherchen anfallen. Vor allem wollte die Redaktion in Erfahrung bringen, wie das Unternehmen intransparente Methoden rechtfertigt, die für öffentliche Kampagnen genutzt werden können. Für eine andere Dienstleistung von Plan4Risk ist den Medien zu entnehmen, dass bis zu 10.000 Euro pro Tag berechnet werden.
Plan4Risk, Malte Roschinski und Tilman Roschinski waren nicht bereit, eine Stellungnahme abzugeben. Besonders interessiert hätte die Redaktion, welche Agenda der Geschäftsführer Malte Roschinski verfolgt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum eine Person mit einschlägigen juristischen Vorerfahrungen im Unternehmen beschäftigt wird.
Fazit und Ausblick
„Negative Campaigning ist eine klassische, aber risikoreiche Form der Öffentlichkeitsarbeit, die aufgrund wahrheitsgetreuer Fakten auf die Schwächen einer Person in der Politik oder eines Produkts hinweist.“ (Handl et al., 2016: 11)
Ob die öffentliche Stigmatisierung die Methoden von Plan4Risk rechtfertigt, bleibt an dieser Stelle unkommentiert. Auffallend ist die Tatsache, dass sich die Opfer solcher OSINT-, X- und YouTube-Kampagnen bisher nicht öffentlich geäußert haben, obwohl eine betroffene Person in Deutschland von einem Gericht für schuldig gesprochen wurde.
Eines ist klar: Sicherheitsdienstleister boomen, aber in manchen Fällen sind ihre Methoden bestenfalls fragwürdig. Zu klären wäre, wo enden Graubereiche und wann biegen solche Methoden in die Illegalität ab. „Fass ohne Boden“ ist bereits den Spuren der Hintermänner von Plan4Risk auf der Ferse.
Quellen
Redaktion
Handl, Daniel / Petroczi, Thomas / Klimek, Valerie / Fürst, Magdalena / Hlinka, Sophie (2016): Dirty Campaigning. In: Kammerzelt, Helmut/Krumpel, Bernhard (Hg.): Spezialgebiete der Public Relations – Teil III. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, S. 9-34.
Tritscher, Sandra (2020) Dirty Campaigning: Analyse der Berichterstattung und politischen Kommunikation im Rahmen der Silberstein-Affäre. Diplomarbeit: Universität Salzburg. https://eplus.uni-salzburg.at/download/pdf/5386292.pdf