FPÖ-Generalsekretär und Nationalrat Michael Schnedlitz brachte am Aschermittwoch eine hoch brisante parlamentarische Anfrage ein. Unter dem Titel „Verbindungen zwischen der ÖVP und dem Ibiza-Netzwerk“ möchte der Abgeordnete von Justizministerin Alma Zadic erfahren, welche Rolle einer der engsten Berater von Bundeskanzler Sebastian Kurz in der Causa Ibiza-Netzwerk spielt. Im Zuge der Einvernahme eines SPÖ-affinen PR-Beraters durch die „Soko-Tape“ äußerte sich dieser, dass bereits 2015 der Kurz-Berater Kenntnisse über kompromittierendes Material von Heinz-Christian Strache hatte: „Auf meine Frage, woher diese Unterlagen sein könnten, sagte er, es gäbe wohl einen Typen im Umfeld von Strache, konkret aus seinem Sicherheitsteam, der das angefertigt habe und nun aussteigen wolle.“
Strache-Leibwächter, Ibiza-Anwalt und die Kriminalpolizei
Wir schreiben das Jahr 2015, wenige Monate vor der Wiener Gemeinderatswahl. In diesem Zusammenhang sei auf den ehemaligen FPÖ-Funktionär und Leibwächter von Heinz-Christian Strache verwiesen. Dieser soll über den Ibiza-Anwalt belastendes Material dem Kurz-Berater angeboten haben. Der Leibwächter und der Ibiza-Anwalt kennen einander seit ca. 2011. Und tatsächlich gibt es Belege für detaillierte Kenntnisse des Ibiza-Anwalts.
Innenminister Karl Nehammer hat vor wenigen Tagen eine Anfrage von Stefanie Krisper (NEOS) beantwortet, der zu entnehmen ist, dass der Ibiza-Anwalt am 27. März 2015 einen Termin beim Bundeskriminalamt hatte. Der Ibiza-Anwalt erörterte „die von ihm vorgebrachten Angaben eines nicht näher bezeichneten Dritten ohne Preisgabe der Identität dieser Person.“ Zwei Kriminalbeamte waren bei diesem Gespräch anwesend: der Beamte H., damals Leiter des Büros zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Bundeskriminalamt, sowie dessen damaligen Stellvertreter. Und jetzt wird es besonders heikel: Der Beamte H. ist heute Leiter der sogenannten „Soko-Tape“.
Der Kriminalbeamte H. stand wiederum etliche Jahre unter dem Kommando einer Kripo-Legende, dessen Namen im Organigramm einer Firmenpräsentation des Ibiza-Detektivs auftaucht. Die Kripo-Legende weiß wiederum nicht, warum sein Vor- und Nachname im Organigramm aufscheint. Dieser bestreitet seine Rolle im Unternehmen und der Darstellung im Firmenorganigramm, gibt aber offen zu, über Jahre hindurch mehrfach sich mit dem Mentor des Ibiza-Detektivs getroffen zu haben. Und dies ist mehr als verwunderlich, da die Kripo-Legende zum damaligen Zeitpunkt noch „on Duty“ war, sprich aktiver Kriminalbeamter.
Gab und gibt es parteipolitische Interventionen?
Eine besonders brisante Frage von Schnedlitz beschäftigt sich mit einer mögliche Intervention von Seiten des Justizministeriums: „Gab und gibt es parteipolitische Interventionen, interne Weisungen […], dass die Staatsanwaltschaft in eine bestimmte Richtung ermitteln oder nicht ermitteln soll?“ Diese Frage dürfte direkt oder indirekt an Christian Pilnacek gerichtet sein. Zur Erinnerung: der oberste Beamte für Strafsachen des Justizministeriums empfing vor wenigen Wochen zwei Casinos-Aufsichtsräte in seinem Büro. Bei den Personen handelt es sich um zwei Beschuldigte in der Postenschacher-Affäre. Pilnacek sorgte im letzten Jahr aber auch mit seiner Aussage in der Causa Eurofighter „setzts euch z’samm und daschlogts es“ für Aufsehen. Mit „erschlagen“ ist im Übrigen „einstellen“ gemeint (siehe auch „Höflichkeit“ a la Sektionschef Pilnacek„)
Fazit
In spätestens acht Wochen sollte die Anfrage beantwortet sein. Die Dichte an Zufällen ist mittlerweile erdrückend. Es zeichnet sich zunehmend ab, dass schon vor 2015 der Leibwächter begonnen hat, Material gegen Heinz-Christian Strache zu sammeln, zu archivieren und möglicherweise zu konstruieren. Darüber hinaus muss überhaupt der Frage nachgegangen werden, was von dem belastenden Material authentisch ist und was nicht. Wenige Tage von der Veröffentlichung des Ibiza-Videos hat laut einer Einvernahme der Personenschützer dem Ibiza-Anwalt gedroht, sollten Rückschlüsse auf ihn zurückfallen, werden in diversen Fahrzeugen von Ibiza-Hintermännern 2-3 kg Suchtmittel vorgefunden.
Striktes Dementi. Sowohl einflussreiche ÖVP-Politiker, als auch der ÖVP-Berater, die Kripo-Legende sowie eine Vielzahl an weiteren Protagonisten, die bereits durch die Soko-Tape einvernommen wurden, bestreiten Kenntnisse vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos gehabt zu haben. Eindeutige Beweise oder eine sogenannte „Smoking-Gun“ konnte bis dato von der Soko-Tape nicht gefunden werden. Möglicherweise werden die Forensiker der Kripo in den unzähligen USB-Sticks, Computer, Festplatten und Laptops auf wichtige Beweise stoßen.
Den Stein ins Rollen für die Anfrage brachte die Fass ohne Boden Enthüllung: „Bot Kurz-Berater belastendes Material gegen Strache an?
In eigener Sache: Am 24. März 2020 findet im Landesgericht Wien in der Causa Ibiza-Netzwerk, Saal 306, um 9:30 Uhr, ein Medienverfahren gegen Fass ohne Boden statt. Für den dritten Verhandlungstag werden weitere Personen aus dem Umkreis des Ibiza-Detektivs geladen. Die Verhandlung ist öffentlich.
Quellen
parlament.gv.at (parlamentarische Anfrage 1014/J): Verbindungen zwischen der ÖVP und dem Ibiza-Netzwerk
parlament.gv.at (parlamentarische Beantwortung 442/AB): Mögliche Einleitung von Ermittlungsmaßnahmen gegen Heinz-Christian Strache im Jahr 2015
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