Die Freiheitlichen nutzten die gestrige Nationalratssitzung, um eine Dringliche Anfrage an Bundeskanzler Karl Nehammer einzubringen.
FPÖ thematisiert „aktuelle ÖVP-Finanzskandale“
Für große Kritik durch die Opposition sorgte, dass der Bundeskanzler durch Staatssekretärin Claudia Plakolm vertreten wurde. So kritisierte der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried vor Beginn der Debatte, dass Bundeskanzler Nehammer nicht anwesend sei. Das sei eine Flucht vor der Verantwortung und eine klare Missachtung des Parlaments. Seinem Antrag auf Herbeischaffung des Bundeskanzlers schloss sich FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl an. Der Kanzler distanziere sich von seiner Partei und habe offenbar nicht den Mut, sich für seine Partei, die „korrupteste Partei im Land“, zu rechtfertigen. Der Antrag fand keine Mehrheit.
33 Fragen der FPÖ an Bundeskanzler Nehammer
In 33 Fragen wollten die Freiheitlichen den Wissensstand vom Bundeskanzler über die „aktuellen ÖVP-Finanzskandale“ erfragen. Sie erkundigten sich auch, wie er solche in Zukunft verhindern wolle. Dabei thematisierten sie die öffentlichen Diskussionen, die rund um den ÖVP-Rechenschaftsbericht 2019, die Zahlungen aus dem NPO-Coronafonds an den Seniorenbund oder die Inseratenaffäre beim Vorarlberger Wirtschaftsbund entstanden sind. Seit der Angelobung der Bundesregierung gebe es laufend Skandale, Personalrochaden und Streit. Für die Aussage, die ÖVP habe „sogar den Bundespräsidenten korrumpiert“, erteilte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka Hafenecker (FPÖ) einen Ordnungsruf mit der Begründung, es handle sich um eine Beleidigung des Staatsoberhaupts.
Plakolm sorgt für Wirbel
Staatssekretärin Claudia Plakolm leitete ihre Stellungnahmen mit dem Hinweis ein, sie erkenne eine bedenkliche Tendenz zu einer politischen Wortwahl, die nur mehr darauf abziele, dem politischen Gegner zu schaden, anstatt zu fragen, wie man die aktuellen Krisen bewältigen könne. Die Menschen in Österreich und die Jugend des Landes würden sich Antworten auf die drängenden Fragen des Alltags erwarten, etwa auf die dramatische Verteuerung der Lebenshaltungskosten.
Auch die Opposition habe aus ihrer Sicht eine Verantwortung, konstruktive Maßnahmen anzuerkennen und das Vertrauen in die Politik wieder zu stärken, meinte die Staatssekretärin. Jetzt sei ein neues Herangehen gefragt. Bei der Beantwortung der Fragen, was die Regierung zur Korruptionsbekämpfung unternehme, verwies Plakolm auf geplante Änderungen des Parteiengesetzes, zu denen es bereits Gespräche mit dem Koalitionspartner und den anderen Klubs gebe.
(Nicht-)Beantwortung: Opposition schwer verärgert
Die (Nicht)Beantwortung der Fragen, vor allem der Hinweis, dass die Fragen nicht Gegenstand der Vollziehung seien, rief die Kritik der Opposition hervor. In Meldungen zur Geschäftsordnung übten NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak und Jörg Leichtfried (SPÖ) heftige Kritik an der Anfragebeantwortung, die ihrer Meinung nach völlig unzureichend war. Leichtfried sprach von einer „Farce“ und warf Nationalratspräsident Sobotka vor, seine Rolle nicht zu erfüllen und sicherzustellen, dass das Parlament die erforderlichen Antworten erhalte. Leichtfried verlangte eine Sitzungsunterbrechung.
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka betonte, dass die Verantwortung für die Beantwortung von Anfragen beim jeweiligen Ressort liege, das Präsidium könne keinen Einfluss drauf nehmen. Er unterbrach die Sitzung für die Abhaltung einer Stehpräsidiale, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Als Ergebnis teilte der Nationalratspräsident mit, der Nationalrat erwarte zu den Fragen, die Zahlungen an den Österreichischen Seniorenbund betreffen, eine nochmalige Antwort der Staatssekretärin im Laufe der Debatte. Die Frage, was Gegenstand der Vollziehung sei und was nicht, werde der Rechts- und Legislativdienst des Parlaments überprüfen.
Susanne Fürst (FPÖ) meinte ironisch, sie verstehe, dass der Bundeskanzler zahlreiche Fragen zur Vollziehung nicht beantworten könne, da die einzige erkennbare Kompetenz der Bundesregierung die Handhabung von Rücktritten sei. Statt mit Innenpolitik und aktuellen Herausforderungen befasse sich der Kanzler lieber mit Außenpolitik, etwa der Ukraine oder der Unterstützung von EU-Sanktionen gegen Russland, die tatsächlich der EU und Österreich mehr schaden würden, als Russland.