“Ninas Blacklist” ist um einen prominenten Namen reicher: Dmitri Firtasch. Aufgrund der Veröffentlichung der geheimen Dokumenten aus den FinCEN Files feiert der ukrainische Oligarch ein mediales Comeback – wohl aber unfreiwillig. Firtash gilt als einer der reichsten und mächtigsten Geschäftsmänner der Ukraine. Dieser war ein enger Vertrauter des gestürzten Präsidenten Viktor F. Janukowitsch. Seit 2014 lebt er in Wien in einem goldenen Käfig. Das bedeutet, dass er für 125 Millionen Euro Kaution das Gefängnis verlassen durfte, aber nicht das Land Österreich.
“Nina” war damit beauftragt, das Zustandekommen der den Vorwürfen der US Behörden zugrundliegenden und von Herrn Firtash bestrittenen Behauptungen zu ergründen und darüber zu berichten.
Anwälte von Dmitri Firtasch
Der “Modus Operandi” unterscheidet sich aber in diesem Projekt. Sie und ihr österreichischer Partner, ein vermutlich korrupter BVT-Beamter, haben Informationen in den Verfassungsschutz über Firtasch einfließen lassen. “Nina”, die beim BVT als Quelle “Bertram” geführt wurde, hat bereits Jahre vor ihrer eigentlichen Recherche für Firtasch diesen am Radar gehabt. Nach seiner Verhaftung am 12. März 2014 dürfte sie die Seite gewechselt haben.
Recherche und Abwicklung über eine Projektbeteiligungsfirma
In der Causa Dmitri Firtasch hat die deutsche Nachrichtenhändlerin langjährige Recherchen betrieben. Nach der Verhaftung von Firtasch dürfte sie dank eines Unternehmensberaters und eines ehemaligen Gendarmerie-Generals eine Möglichkeit erhalten haben, einen Projektabwickler in der direkten Umgebung von Firtasch kennenzulernen.
Damit das Treffen sauber über die Bühne geht, vor allem aber Diskretion bewahrt wird, erhielten beide Vermittler ein sehr üppiges Salär für die Kontaktvermittlung. Der Unternehmensberater und der Ex-General erhielten je 25.000 Euro. So heißt es in einer Zeugenaussage: „Tatsächlich ist das Geld geflossen als Gegenleistung für die Vermittlung von Nina” an den Projektentwickler. Danach waren die beiden Herren nicht mehr in dieser Causa involviert.
Projekt “New Energy”
Dem BAK-Bericht aus dem heurigen Jahr ist zu entnehmen, wie und in welchem Umfang von “Nina” und dem BVT-Beamten zugunsten von Firtasch im Verfassungsschutz interveniert haben. Aus den gesichteten Unterlagen lässt sich darstellen, dass sie im Zeitraum zwischen Februar 2014 bis Dezember 2015 an dem Projekt “New Energy” gearbeitet hat.
“In diesem Projekt wurden laut Angaben der “Nina” offenbar sechs Unterprojekte geführt. Die Unterprojekte wären unter den Namen „Hindu” und „S.M.” betitelt worden. Das Grundprojekt „New Energy” hatte den Auftrag entlastendes Beweismittel für Dimitry Firtasch festzustellen und dessen Anwälten durch die Beibringung von Informationen zuzuarbeiten. Im Unterprojekt „Hindu” wäre durchzuführen gewesen, den Belastungszeugen des Dimitry Firtasch, den aus Indien stammenden Jugendra Singh Raghav, zu diskreditieren. Im Unterprojekt „S.M.” wäre festzustellen gewesen, welche Verbindungen zwischen Dimitry Firtasch und Semjon Mogilewitsch bzw. dessen Umfeld vorliegen.”
So findet sich – wie bei den bisherigen Projekten aus der FoB-Serie “Ninas Blacklist” – Eigenbelege von ihr für den BVT-Beamten. Dieser kassierte laut dem BAK-Abschlussbericht für dieses Projekt in Summe 5.000 Euro, unter anderem für Abfragen von Firmen während der Dienstzeit an einem BVT-Rechner.
So merkt die Nachrichtenhändlerin bei der Kostenkalkulation des Projekts selbst an: “Für die Fremdkosten wird von den Quellen unterschrieben, außer von der österreichischen Quelle. Du verstehst sicher”. Verständlich, da ein BVT-Beamter schwer Honorarnoten für Berichte legen kann, die er aufgrund seiner Tätigkeit beim BVT machen sollte.
BVT-Beamter speist Ninas Ergebnisse ein
In den sichergestellten Dokumenten fanden die Antikorruptionsermittler des BAK mehrere wichtige Dateien, die belegen, wie das “System Nina” funktioniert hat. An dieser Stelle veröffentlichen wir exemplarisch nur einen Bericht und die genauen Umstände.
Inhaltlich dreht es sich um die Gegner von Dmitry Firtasch. Die Inhalte wiederum finden sich am 4. August in einem dienstlichen Informantenbericht des BVT. Diesen hat der BVT-Beamte geschrieben über seine Quelle “Bertram”. Zumal wissen wir, ist “Bertram” lediglich der Aliasname von “Nina” beim BVT.
Dass sich diese Methode 2014 sich mehrmals wiederholt hat, lässt sich mit der Sichtung des Ordners “Bertram” eindeutig belegen.
Umständliche Konfrontation von Dmitri Firtasch
Die Chance, mit dem Oligarchen persönlich zu sprechen, gleicht null. „Der Mordkomplott sei der Grund, warum der milliardenschwere Industrielle beständig von einer großen Zahl an Leibwächtern umringt sei.” (wien.orf.at)
Zwar haben FoB-Recherchen ergeben, dass der Oligarch ein sehr nobles Hotel am Ring regelmäßig besucht, aber an der Schar düster blickenden Sicherheitsfachkräften kommt man nicht vorbei. Als Redaktion muss man sich daher mit den Anwälten sowie dem Pressesprecher von Dmitri Firtasch zufrieden geben. Die Anwälte und der PR-Berater wurden mit wesentlichen Passagen des Abschlussberichts (GZ: VSA/503/2016 im Bezug auf 4 St 6/16a) konfrontiert. Die FoB-Anfrage enthielt Teile der Informantenberichte des BVT-Beamten aus dem Jahr 2014, aber auch gezielte Passagen aus mehreren Projekten von “Nina”. Die Stellungnahme im Wortlaut:
“Anfang April 2014 hat sich “Nina” angeboten, Herrn Firtash mit ihren angeblichen Erfahrungen in Osteuropa und der Ukraine, im Auslieferungsverfahren zu unterstützen. Sie hat auch angeboten, einen Kontakt zu US Behörden herzustellen. Wie wir bedauerlicherweise später feststellen mussten, war “Nina” dazu gar nicht in der Lage und hat überdies vollkommen nutzlose und nicht autorisierte, bzw. nicht beauftragte Schritte gesetzt.
“Nina” war damit beauftragt, das Zustandekommen der den Vorwürfen der US Behörden zugrundliegenden und von Herrn Firtash bestrittenen Behauptungen zu ergründen und darüber zu berichten. Die im Zusammenhang mit der Beauftragung von “Nina” verbreiteten Vorwürfe gegen Herrn Firtash haben sich als frei erfunden herausgestellt, wurden von keiner Behörde je bestätigt und haben weder bei den Ermittlungen gegen “Nina” noch in ihrem Strafprozess zu Vorwürfen gegen Herrn Firtash geführt.”
Fazit
Ob “Nina” jemals persönlichen Kontakt zu Dmitri Firtasch hatte, lässt sich aus den Dokumenten nicht belegen. Die gesamte Projektabwicklung erfolgte über einen gewissen R. B.
Aus Sicht von Firtasch darf man dem Oligarchen keinen Vorwurf machen, da es mehr als legitim ist, sich juristisch zu verteidigen. Dass die Informationen von keiner Behörde je bestätigt wurden, liegt auf der Hand, da es sich um Dokumente des österreichischen BVT handelt. Bei den anderen Informanten sprechen wir von (Ex-)Mitarbeitern anderer Nachrichtendienste. Laut den Recherchen von Addendum soll “Nina” ein Honorar von rund 700.000 Euro erhalten haben.
Die Arbeitsweise des BVT-Beamten ist absolut kritisch zu hinterfragen. Verständlich, warum der Mann seit 2016 vom BVT suspendiert ist. So erhält er zum einen ein Körberlgeld, trifft seine Informantin in der Dienstzeit, versorgt diese mit Erkenntnissen aus seiner Tätigkeit beim BVT und lässt “Ninas” Berichte im Anschluss als “Informantenberichte” in den Verfassungsschutz einfließen. Obwohl der BAK-Bericht im Jänner 2020 vorgelegt wurde, ist bis zum heutigen Tag keine Anklage erhoben worden.
Wir halten an dieser Stelle ausdrücklich fest, dass für alle genannten Personen die Unschuldsvermutung gilt.
Personenerörterung
Jugendra Singh Raghav: Geschäftsführer der Stork International mit Sitz in Wien. Ein in Russland ausgebildeter Geschäftsmann, der das Titangeschäft zu einer Erfolgsgeschichte gemacht hat.
Semjon Mogilewitsch: Mutmaßlicher russischer Mafia-Pate, laut Weltbank habe er ein Vermögen mit Waffenhandel, Erpressung und Prostitution aufgebaut. Lange Zeit auf der “Top 10”-Liste der meistgesuchten Männer des FBI gestanden. Eine direkte Verbindung zwischen Mogilewitsch und Firtasch konnte nie nachgewiesen werden.
Dmitri Firtasch: Nach eigenen Angaben ukrainischer Geschäftsmann, Großinvestor, Philanthrop, Vorstandsvorsitzender der Unternehmensgruppe DF. Chronologie der Anklagen und Ermittlungen zu findet man auf semiosis.at.
Quellen
Der 2,4-Milliarden-Dollar-Mann
„Killerkommando“ gegen Oligarchen Firtasch?
As U.S. Presses for Extradition of Ukrainian Magnate, His Lawyers Cry Foul