Finanzminister Gernot Blümel muss sich wegen der verzögerten Lieferung von E-Mails an den Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) verantworten. Der Nationalrat lehnte heute eine von der Opposition beantragte Ministeranklage ab. Auch die Grünen stimmten gegen die gemeinsame Oppositionsinitiative. Nina Tomaselli ließ es sich allerdings nicht nehmen, ebenfalls Kritik an Blümel und der ÖVP zu üben.
Vorangegangen war der Abstimmung eine zum Teil emotionale Debatte. Schon eingangs der Sitzung hatten SPÖ und FPÖ unisono beklagt, dass sich die Diskussion über die Ministeranklage aufgrund der eingeschobenen Erklärungen von Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler und Umweltministerin Leonore Gewessler unnötig nach hinten verschiebe. Offenbar habe die ÖVP größtes Interesse daran, dass so spät wie möglich darüber debattiert werde, dass der Finanzminister die Verfassung gebrochen habe, mutmaßte Jörg Leichtfried (SPÖ). Wohl in der Hoffnung, dass die BürgerInnen dann vielleicht schon im Schwimmbad seien, ergänzte Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Auch Kai Jan Krainer (SPÖ) und Susanne Fürst (FPÖ) warfen der ÖVP vor, die Verfehlungen Blümels „verstecken“ zu wollen. Die beiden Fraktionen konnten sich mit ihrer Forderung, die Tagesordnung umzureihen, aber nicht durchsetzen.
Für Kritik bei SPÖ und FPÖ sorgte außerdem der Umstand, dass Finanzminister Blümel nicht zur Debatte erschienen war. Das sei „unglaublich respektlos gegenüber dem Parlament“, urteilte Leichtfried. Demgegenüber hielt ÖVP-Klubobmann August Wöginger fest, dass Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler für Verfassungsangelegenheiten zuständig und auch im Plenum anwesend sei.
SPÖ und FPÖ legen Finanzminister Blümel Rücktritt nahe
Begründet hatten SPÖ, FPÖ und NEOS den gemeinsamen Antrag auf Ministeranklage damit, dass Finanzminister Blümel die Verfassung schuldhaft verletzt habe, indem er die vom Ibiza-Untersuchungsausschuss angeforderten E-Mails trotz Aufforderung von Seiten des Verfassungsgerichtshofs erst nach einem Exekutionsantrag übermittelt hat. Wie die Opposition in den Erläuterungen festhält, steht zudem der Verdacht des Amtsmissbrauchs im Raum.
Diese Kritik wurde heute unter anderem von den SPÖ-Abgeordneten Leichtfried, Krainer und Andrea Kuntzl bekräftigt. So erinnerte Krainer daran, dass die erste Aufforderung an das Finanzministerium zu Aktenlieferungen bereits im Jänner 2020 erging. Nach mehreren Nachforderungen habe man im Jänner dieses Jahres eine Rüge ausgesprochen und sich danach an den Verfassungsgerichtshof gewendet, schilderte er. Aber auch nach dessen Entscheidung zugunsten des Untersuchungsausschusses habe Blümel die angeforderten Unterlagen nicht geliefert, sondern sie nur ausdrucken lassen und „im Keller versteckt“. Die Übermittlung an das Parlament sei erst nach dem Exekutionsantrag beim Bundespräsidenten erfolgt, Krainer zufolge allerdings mit einer rechtswidrigen Geheimhaltungsstufe versehen und nach wie vor unvollständig. Blümel habe keinen Respekt vor dem Parlament und der Demokratie, keinen Respekt vor der Verfassung und dem Rechtsstaat und keinen Respekt vor dem Bundespräsidenten und der Bevölkerung, schlussfolgert er.
Auch die FPÖ legte Blümel den Rücktritt nahe. Dieser sei als Finanzminister „nicht mehr zu halten“, auch wenn ihm die ÖVP nach wie vor „die Mauer macht“, zeigte sich Dagmar Belakowitsch überzeugt. Ihrer Meinung nach kann man über den klaren Verfassungsbruch des Finanzministers nicht hinwegsehen. Das sehen auch ihre Fraktionskollegen Christian Hafenecker und Michael Schnedlitz so. Blümel habe das Recht mit Füßen getreten, indem er die Aufforderung des VfGH, die angeforderen Akten zu liefern, zunächst missachtet habe, sagte Hafenecker und warf der ÖVP auch insgesamt vor, „Recht zu beugen, wo es geht“. Für Schnedlitz sind die verzögerten Aktenlieferungen nur ein Steinchen in einem ganzen Mosaik von „Peinlichkeiten“, „Respektlosigkeiten“ und „Undurchschaubarkeiten“.