Die Enthüllung der Operation Mezzo könnte sich nun zu einem Boomerang für das Bundeskriminalamt und Zoll entwickeln. Wie aus der parlamentarischen Beantwortung vom 12.09.2019 hervorgeht, kam es am 27. August 2012 „zu einem Treffen zwischen Beamten des Zollamtes Graz und drei Vertretern der Gruppe Sicherheit, darunter auch J. H. Den Beamten des Zollamtes Graz wurde eine Aufstellung über Personen vorgelegt, die sich mit dem illegalen Handel und Vertrieb von Zigaretten sowie der illegalen Produktion von Zigaretten in großem Stil beschäftigen würden. J. H. übermittelte in Folge des Treffens noch weitere Informationen im Bereich des Zigarettenschmuggels.“ (parlamentarische Beantwortung)
So weit, so gut. Wie bereits Fass ohne Boden und oe24.at bereits im Juli, sowie in den Folgemonaten enthüllt hat („Undercover für Bundeskriminalamt und Finanzpolizei„), wurde laut dem Projektbericht vom Projekt „Mezzo“ penibel erörtert, wie im Zeitraum Jänner bis März 2013 ein Ermittler von „Die Gruppe Sicherheit GmbH“ ein kriminelles Netzwerk unterwandert hat. Bei dem Ermittler wiederum handelt es sich um den männlichen Lockvogel aus dem ibiza-Video. Die Kosten für den verdeckten Einsatz des Ermittlers wurde von einem Tabakkonzern finanziert. Der Hauptgrund für die outgesourcten Ermittlungen war banal: Die Ermittler konnten nicht nah genug an das kriminelle Netzwerk herankommen.
Der medialen Öffentlichkeit wurde jedoch der Zugriff und die Beschlagnahmung der Zigaretten als „Routinekontrolle“ verkauft: „Riesen-Fahndungserfolg für die Finanzpolizei in Wiener Neustadt: Bei einer Routinekontrolle wurde ein gigantisches Zigarettendepot entdeckt. Knapp 5,4 Millionen Glimmstängel wurden beschlagnahmt. Der Verkaufswert der Rauchwaren beträgt knapp 1,2 Millionen Euro.“ (vienna.at)
Vehemente Zweifel an der offiziellen Darstellung
Aus den Unterlagen des Verschlussakts geht hervor, welche Behörde wesentliche Informationen an die Zollbehörde weitergegeben hat: „Laut Information des Bundeskriminalamts soll der 1. Beschuldigte bereits über die erforderlichen Maschinen und Rohstoffe (Tabak, Zigarettenpapier, etc.) in Österreich verfügen und derzeit auf der Suche nach einer passenden Produktionshalle sein.“
Darüber hinaus gibt das Finanzministerium laut parlamentarischen Beantwortung bekannt, dass es lediglich zu einem Treffen mit den Vertretern der „Gruppe Sicherheit“ gekommen sei. Dies ist eine starke schriftliche Beantwortung, da alleine im Abschlussbericht der „Gruppe Sicherheit“ der Sachbearbeiter 50x [sic!] namentlich genannt wird. Darüber hinaus handelt es sich um jenen Sachbearbeiter, der namentlich im Verschlussakt der Finanz als Sachbearbeiter den Fall geführt hat. Der Bericht kann hier eingesehen werden.
Dem Verschlussakt (GZ.: 700000/90553/01/2012) ist zu entnehmen, dass das Zollamt Graz bereits im September 2012 „Verdeckte Ermittlungen“ (= VE) beantragt hat. Zwei Tage später, am 14. September 2012, erfolgte bereits ein „VE-Bericht/Amtsvermerk“ vom Bundeskriminalamt (Büro II/BK/5.3 – VE Mitte) an die Staatsanwaltschaft. Gezeichnet wurde das Dokument von einem Abteilungsinspektor, der wiederum in den Mezzo-Unterlagen der „Gruppe Sicherheit“ mit dem Decknamen „M****“ in Erscheinung tritt.
Dies ist mehr als nur brisant: Zum jetzigen Stand der Recherche soll „M****“ Mitglied der Soko-Ibiza sein. Dies kann jedoch von offizieller Stelle nicht verifiziert werden, da das Bundeskriminalamt und das Innenministerium keine Aussagen über die Zusammensetzung der Soko-Ibiza tätigt. Innenminister Wolfgang Peschorn hat vor mehreren Wochen in einem Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ auf die Gefahr hingewiesen, dass die Ermittler der Soko Ibiza aus seiner Sicht gefährdet wären, wenn sie bekannt würden: „Wir können derzeit aufgrund unserer Ermittlungsergebnisse nicht ausschließen, dass wir es auch mit Menschen zu tun haben, die vor massiven Gewalttaten nicht zurückschrecken“. [Anmerkung der Redaktion: Fass ohne Boden nimmt daher Abstand, die Initialen des echten Namens vom leitenden Kriminalbeamten aus dem Bereich „Verdeckte Ermittlungen“ zu nennen.]
Zeitpunkt der Festnahme vom Sicherheitschef von Strache fragwürdig
In den vergangenen 24 Stunden wurde intensiv über die Verhaftung des Sicherheitschefs und Bodyguards von Heinz-Christian Strache berichtet. Der Zeitpunkt der Verhaftung, sprich der 23. September 2019, deutet aber immer mehr auf einen „besonderen“ Termin hin. Nach unzähligen Hintergrundgesprächen mit einem Informanten, der von der Soko-Ibiza einvernommen wurde, geht hervor, dass das „Name-Droping“ gegenüber der Soko-Ibiza bereits Ende Mai erfolgt ist.
So gesehen, hat sich das Ermittler-Team der Soko-Ibiza enorm viel Zeit gelassen. Womöglich aber konnten die Ermittler gar nicht mehr anders, da die Abrechnungen der Spesen von Heinz-Christian Strache geleakt wurden. Die Strafanzeige kann auf Buzzfeed.news eingesehen werden.
Größte Furcht der Soko-Ibiza lautet den Fall ans BAK abzutreten
Das Gesetz über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (= BAK-G) regelt im §4 eindeutig die Zuständigkeiten, im Falle von Ermittlungen. Hinter vorgehaltener Hand haben Informanten aus dem Innenministerium der Redaktion ihren Unmut geäußert, dass das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung eigentlich zuständig sei.
Wie bereits standard.at vor etlichen Wochen berichtete, läuft „ein Tauziehen zwischen der WKStA und der Soko Ibiza“. Anlass für den Streit war im Vorfeld die Hausdurchsuchungen von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, insbesondere die beschlagnahmten Handys der FPÖ-Politiker. Die WKStA war besorgt, dass „ÖVP-nahe Soko-Leute die Ermittlungen gefährden könnten. Die Staatsanwaltschaft hat sich bereits schriftlich an die Soko gewandt und Antworten auf Fragen zu allfälliger Befangenheit gefordert. Die Soko Ibiza verneinte dies.“ (standard.at)
Mehr als verständlich, da zum einen eine parteipolitische Nähe von einzelnen Beamten der Soko-Ibiza im Raum steht. Eine weitere Besorgnis kann jedoch lauten, dass einzelne Ermittler bereits in der Vergangenheit mit J. H. in Berührung gekommen sind, und zwar nicht nur als Ermittler. Und dies hätte ich den Tat eine Grundlage für eine mögliche Befangenheit.
Wie die Causa „Mezzo“ eindrucksvoll zeigt, sind die Behörden bemüht, den Informationsfluss minimal zu halten.
Weitere Beiträge zu Projekt Mezzo und Operation Daviscup
Bisherige Publikationen über den Tabakkonzern auf einen Blick:
- Die Vorstrafen des Ibiza-Netzwerks
- Ibiza-Netzwerk: Peilsender, Kripo, Mezzo
- Über Kriminalbeamte, Mezzo und Soko-Ibiza
- Ibiza-Hintermänner ermittelten für LKA, BK und Finanzpolizei
- Projekt “Lindwurm”: Ibiza-“Privatschnüffler” und Zoll
- Ibiza-Netzwerk: Undercover für Bundeskriminalamt und Finanzpolizei