Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat eine Anklage gegen 45 Mitarbeiter von Wiener Wohnen eingebracht, denen Bestechlichkeit vorgeworfen wird. Die als Werkmeister oder Referenten tätigen Mitarbeiter sollen sich von Unternehmen im Einflussbereich eines Geschäftsmanns mit Tank- und Einkaufsgutscheinen bestechen haben lassen.
Insgesamt müssen sich in der Korruptionsaffäre 53 Personen vor Gericht verantworten. Addiert man auf Basis der Anklageschrift die mutmaßlich geflossenen geldwerten Beträge, kommt man auf eine Schadenssumme von rund 170.000 Euro.
Bei Wiener Wohnen erfuhr man vom Vorliegen der Anklageschrift aus der Zeitung. Man begrüße es, wenn unrechtmäßige Vorgänge nun gerichtlich aufgearbeitet werden. Man sei in dieser Sache um „rasche Aufklärung“ bemüht gewesen, habe der Justiz Stellungnahmen und Sachverhaltsdarstellungen übermittelt. Es seien auch „interne Konsequenzen“ gezogen worden, teilte die Pressestelle mit.
Ausgang soll das verfahrensgegenständliche Geschehen mit einer „Geschäftsidee“ des 56-jährigen Unternehmers genommen haben. Seine eigenen Leute meldeten bei Wiener Wohnen angebliche Schäden in öffentlich zugänglichen Bereichen in Gemeindebauten, etwa in Kellerabteilen Dachböden oder Stiegenhäusern. Dazu ließ er laut Anklage von seinen Mitarbeitern so genannte „Häuserlisten“ erstellen, für die Behebung der – teilweise nur behaupteten – Schäden, darunter etwa zerbrochene Fensterscheiben, wurde dann letztlich auf Kosten des Steuerzahlers abkassiert. Die Anklage bezieht sich auf abgerechnete Aufträge, die in Wahrheit gar nicht oder nicht in verrechnetem Umfang ausgeführt wurden.
Die Ingenieure und Werkmeister bei Wiener Wohnen, deren Aufgabe es gewesen wäre, allfällige Schäden bei Begehungen feststellen, ließen sich der WKStA zufolge diese Aufgabe vom 56-Jährigen entgeltlich abnehmen. Sie wurden für ihr Nichttätigwerden „mit Gutscheinen belohnt“, heißt es in der Anklage. Dabei soll es sogar eine Art Tarif gegeben haben: die laut WKStA korrupten Werkmeister erhielten in der Regel Gutscheine – in seltenen Fällen Bargeld – im Gegenwert von rund drei Prozent der beauftragten Rechnungssumme. Bei einigen Gemeindebediensteten kam dergestalt ein „Zubrot“ von wenigen 100 Euro zusammen, andere sahnten allerdings ordentlich ab. Ein 55-jähriger Beamter soll sich um mehr als 15.000 Euro in Form von Gutscheinen bereichert haben.
„Nachdem sich das System eingespielt und als wirksam und gewinnbringend herausgestellt hatte, wurde es optimiert“, hält die WKStA in ihrer Anklage fest. Da die Wiener Wohnen-Mitarbeiter weder feststellten, ob es überhaupt Schäden gab, und nachher auch nicht kontrollierten, ob diese überhaupt behoben und die erteilten Aufträge ordnungsgemäß durchgeführt wurden, „war es ein leichtes, tatsächlich nicht eingetretene ‚Schäden‘ zu melden und derart Scheinaufträge zu generieren“. Laut Anklage wurden die Bestechungszahlungen an die Gemeindebediensteten in einem eigenen Evidenzbuch erfasst.
Die WKStA betont in ihrer Anklageschrift, es gebe „ungewöhnlich viele Beweise für die Gewährung und die Annahme von Vorteilen“. Sie verweist auf sichergestellte „Gutscheinlisten“, die belastenden Angaben eines Angestellten des 56-jährigen Unternehmers, der mit den Strafverfolgungsbehörden kooperiert und der in einem separaten Verfahren als Beschuldigter geführt wird, und schriftliche Protokolle über wöchentliche Besprechungen, die der Unternehmer als pdf-Dateien abgespeichert hat und die die inkriminierten Vorgänge teilweise bis ins Detail dokumentieren. So wird an einer Stelle zu den in Rechnung gestellten Arbeiten festgehalten: „Wir machen ja gar nix. Außer putzen eventuell.“
Der Großteil der Angeklagten hat im Ermittlungsverfahren vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Vom Rest soll sich keiner geständig verantwortet haben. Für sämtliche zur Anklage gebrachten Personen gilt die Unschuldsvermutung.
Die beim Landesgericht eingebrachte Anklage löste am Freitag eine Fülle an politischen Reaktionen aus. Der Wiener FPÖ-Landesparteiobmann Dominik Nepp verlangte den Rücktritt von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ). Nepp und FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrang traten überdies für eine Bundes-Aufsicht über Wiener Wohnen ein. „Die Sozialdemokratie schafft es offenbar nicht, bei Wiener Wohnen für Ordnung zu sorgen. Wir müssen das Tafelsilber Wiens vor dem Verfall schützen. Das Wirtschaftsministerium beherbergt eine wohnpolitische Abteilung und wäre eine geeignete Aufsichtsbehörde“, verlautete Nepp in einer Aussendung. Schrang kündigte dahin gehend einen weiteren parlamentarischen Antrag der Freiheitlichen an, nachdem ein erster in der Mai-Sitzung des Bautenausschusses zu Grabe getragen worden sei.