Der Frauenring (ÖFR) und die Allianz Gewaltfrei leben vermuten hinter dem Gewaltschutzpaket der Regierung zumindest teils eine „Mogelpackung“. Die zugesagten zusätzlichen Mittel in Höhe von 24,6 Millionen Euro kämen großteils nicht dem Schutz von Frauen zugute. „Bis heute wissen wir nicht, wie und wann das Geld verteilt wird. Bis heute wissen wir nicht, mit welchen Ressourcen die betroffenen Einrichtungen planen können“, kritisierte zudem ÖFR-Vorsitzende Klaudia Frieben.
Für die Organisationen, die sich im Gewaltschutz für Frauen und Kinder engagieren, seien bisher lediglich zwei Aufrufe für Projektförderungen in Höhe von insgesamt 3,6 Millionen Euro erfolgt. Der laufende Betrieb, etwa die dringend nötigte Ausweitung der Beratungsstunden, sei davon ausgeschlossen. Zudem richte sich ein großer Teil der bisher bekannten geplanten Maßnahmen gegen sogenannte kulturell bedingte Gewalt. Beides sei inakzeptabel, sagte Frieben bei einer Pressekonferenz, Gewalt keine „Kulturfrage“ und dies der falsche Ansatz. Die Frauenorganisationen halten an ihrer ursprünglichen „Maximalforderung“ von 228 Millionen pro Jahr und einer „Joboffensive“ mit 3.000 zusätzlichen Stellen fest.
Nötig sei eine gesicherte Basisfinanzierung, so Rosa Logar von der Allianz Gewaltfrei leben und Geschäftsführerin der Interventionsstelle Wien. Die Experten hätten das am 12. Mai präsentierte Paket – in dessen Erstellung sie nicht eingebunden waren, wie sie vielfach kritisierten – analysiert und feststellen müssen: „Es ist nicht effektiv.“ Das bisherige Vorgehen entspreche nicht dem Auftrag der Regierung nach der Istanbul-Konvention. Das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung häuslicher Gewalt verlange einen langfristigen Aktionsplan. Man müsse endlich „weg von der Projektförderung“, die neben hohen bürokratischen und finanziellen Hürden keine längerfristige Planung möglich mache, sagte Elisabeth Cinatl, Vorsitzende des Netzwerks der Frauen- und Mädchenberatungsstellen.
Viele der Vorhaben hätten nur sehr indirekt mit Gewaltschutz zu tun. Maßnahmen wie die Erhöhung der Stundensätze für die Prozessbegleitung und die Ausweitung der Familiengerichtshilfe seien zwar seit Jahren überfällig. „Aber Gewaltschutz ist das nicht“, so Logar. Die zugesagten 24,6 Millionen Euro müssten umgehend verdoppelt werden, um einen Ausbau der echten Opferhilfe zu erlauben, „die zu kurz kommt in diesem Paket“.
Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Österreichische Autonome Frauenhäuser (AÖF), schlüsselte den Bedarf der rund 30 Frauenhäuser auf, in die sich jährlich mehr als 3.000 Gewaltopfer flüchten: Die AÖF fordern 4,6 Millionen Euro pro Jahr, was u.a. jeweils zwei Vollzeitarbeitskräfte zusätzlich für die Betreuung beinhalte (in Summe 2,4 Millionen), 1,5 Millionen für Übergangswohnungen oder auch Öffentlichkeitsarbeit für die Frauenhelpline (50.000 Euro). Kritik übte sie an der „verantwortungslosen Ausschreibung“ des Frauenhauses in Hallein (Salzburg) und wünschte sich die langjährig bestehende Einrichtung dringend zurück (600.000 Euro).
Für Wien verlangte Logar eine Verdoppelung um zwei Millionen Euro als ersten Schritt, damit könnten die Beratungsstunden für Opfer – insgesamt 6.000 jährlich – von fünf auf zehn pro Kopf und Jahr aufgestockt werden, was immer noch viel zu wenig wäre. Jede Beraterin betreue in der Interventionsstelle mehr als 300 Fälle, erinnerte sie, ein Bewährungshelfer dürfe maximal 35 Schützlinge haben. „Das würden wir uns auch wünschen.“ Überhaupt sei im Gewaltschutzpaket die Täterarbeit überrepräsentiert und „am besten dotiert“. So seien für Männer- und Burschenberatung vier Millionen Euro aus Bundesmitteln vorgesehen. Das sei nicht automatisch Gewaltschutz, und „die Frauenberatungsstellen haben das nicht auf Bundesebene“.
„Ein Runder Tisch im Akutfall genügt nicht. Hören Sie auf die Experten. Es geht um das Leben von Frauen“, appellierte Frieben. Logar pochte auf die Einrichtung einer Stelle im Frauenministerium, die laufend die Zusammenarbeit mit anderen betroffenen Ressorts wie Finanz, Sicherheit, Bildung koordinieren sollte. „Außer zu sagen: ‚Wir bleiben in Kontakt‘, ist nicht viel gekommen“, meinte sie zur bisherigen Bilanz.