Kultur.Sommer.Semmering: Überraschende Wende am Semmering
Die Staatsanwaltschaft hat wegen mutmaßlichen Betrugs ein Ermittlungsverfahren gegen Florian Krumpöck und seine Frau eingeleitet. Grundlage ist eine in der Vorwoche eingebrachte Sachverhaltsdarstellung von Fass ohne Boden.
Im Fokus der Ermittlungen sind Kulturförderungen, die beim Land Niederösterreich in den vergangenen Jahren beantragt wurden. Konkret geht es um Infrastrukturförderungen, die der Verein Kultur.Sommer.Semmering beantragt hat. Von 2018 bis 2021 hat der Verein Förderungen in der Höhe von insgesamt 65.000 Euro erhalten.
Darüber hinaus hat der Verein laut dem Kulturbericht des Landes Niederösterreich von 2016 bis 2020 mindestens 335.000 Euro erhalten. In Summe schüttete die Kulturabteilung nachweislich 400.000 Euro an den Kulturverein aus.
Wenn man davon ausgeht, dass pro Jahr weitere 80.000 Euro geflossen sind, wäre das Fördervolumen mittlerweile bei mindestens 560.000 Euro. An dieser Stelle sei festgehalten, dass die Redaktion die offiziellen Förderberichte (2021, 2022) des Landes Niederösterreich abwarten muss, da die Berichte noch nicht veröffentlicht wurden. (Anm.: FoB berichtete – Förderbericht 2020 zum Nachlesen)
Komplexe Vereins- und Unternehmenskonstruktion
Die Vereins- und Unternehmenskonstruktion am Semmering, in Wien und Liechtenstein rund um Krumpöck erinnert an einen Rechnungshofbericht über die Festspiele in Reichenau. Der Pianist und Intendant engagiert sich mittlerweile in drei Vereinen, die sich ausschließlich mit den Kulturaktivitäten von Krumpöck am Semmering beschäftigen. In diesen fungiert er als Obmann oder Präsident. Die Vereine im Überblick:
- Kulturverein Semmering (ZVR-Zahl 830431716)
- Sommer.Semmering (ZVR-Zahl 78059804), der Verein fungiert als 100% Gesellschafter an der Kultur.Sommer.Semmering GmbH (FN 571646g)
- Verein der Förderer des Festivals Kultur.Sommer.Semmering (ZVR-Zahl 1254386179)
Wozu man am Semmering überhaupt drei Vereine [sic!] zur Ausrichtung eines Festivals benötigt, erscheint auch dem alten Bürgermeister der Gemeinde Semmering, Horst Schröttner (ÖVP), seltsam. In einem Gespräch mit der Redaktion hielt dieser nur fest, dass der „Verein der Förderer des Festivals Kultur.Sommer.Semmering“ erst nach seiner Amtszeit gegründet wurde. Zur Erinnerung: Schröttner war 15 Jahre Bürgermeister der Gemeinde Semmering. Weitere 35 Jahre engagierte er sich als Gemeinderat. Wenn man so will, kennt Schröttner jeden Stein am Semmering.
Warum Krumpöck sich ein Vorkaufsrecht an den Geschäftsanteilen der Kultur.Sommer.Semmering GmbH eingeräumt hat, ist eine weitere Frage, die bis heute unbeantwortet geblieben ist. Aber auch die Frage, warum Krumpöck sich dies vertraglich gesichert hat, erscheint seltsam. Das Vorkaufsrecht kann mit seiner im Fürstentum Liechtenstein (FoB berichtete) registrierten Einzelunternehmung (HR-Nr FL-000.2.486.786-6) ausgeübt werden. Für alle Skeptiker: Die Errichtungserklärung ist beispielsweise über den Anbieter „Wirtschaftscompass“ einsehbar und abrufbar.
Der Sachverhalt im Wortlaut: „Damit hat er jederzeit die Möglichkeit, diese Geschäftsanteile und damit die wirtschaftliche Zuordnung des Gesellschaftsvermögens nach Liechtenstein zu übertragen.“
Abseits der strafrechtlichen Ermittlungen konnte sich die Redaktion über die Sponsoren und das Netzwerk des Vereins Kultur.Sommer.Semmering einen umfassenden Überblick verschaffen.
Raiffeisen-Umfeld und Interventionen
„Indiskretionen […], Intrigen und Komplotte“ stehen an der Tagesordnung, dies war bereits dem Aviso zu entnehmen. Die Redaktion erfuhr, dass im vergangenen Jahr ein „Raiffeisen-Mann“ der Raiffeisenbank Region Wiener Alpen gemeinsam mit Krumpöck beim Vorbesitzer des Südbahnhotels am Semmering vorstellig wurde. Zwei Mitarbeiter haben sowohl Krumpöck als auch den Banker eindeutig erkannt und identifiziert.
Some new facts: Scheinbar standen Finanzierungsideen im Raum, um das Südbahnhotel zu erwerben. Die Pläne wurden aber schnell zunichte gemacht. Die vermeintlichen Kaufambitionen lassen die PR-Kampagne vom Jänner 2022 von Florian Krumpöck in einem anderen Licht erscheinen.
Tatsache ist, dass genau jener „Raiffeisen-Mann“ auch bei einem Nationalratsabgeordneten vorstellig wurde, um sich über „die Person von Fass ohne Boden“ zu erkundigen. Ob dies als Intervention zu sehen ist oder als Gespräch „unter Bekannten“, sei dem Leser selbst überlassen. Für die Redaktion ist die Sachlage glasklar.
Dank des „interessierten Verhaltens“ des Bankers und den Gemeinderatsprotokollen der Gemeinde Semmering, konnte Fass ohne Boden die Person eindeutig identifizieren (Name der Redaktion bekannt). Wenn man so will, seine Neugierde wurde ihm zum Verhängnis.
Der „Raiffeisen-Mann“ ist Geschäftsführer einer Steuerberatungsfirma mit Sitz in Niederösterreich. Dieses Unternehmen beriet wiederum die Gemeinde Semmering. Wie der Zufall es so will, erhielt die Raiffeisen NÖ-Süd Alpin (Raiffeisenbank Region Wiener Alpen) in dem besagten Case als Bestbieter den Zuschlag für die Kreditabwicklung. Der Kredit wurde auf einen Rückzahlungszeitraum von 24 Jahren [sic!] abgeschlossen (das Gemeinderatsprotokoll liegt der Redaktion vor).
Der aktuelle Bürgermeister der Gemeinde Semmering, Hermann Doppelreiter (ÖVP), bestätigte gegenüber Fass ohne Boden, dass der „Raiffeisen-Mann“ die Gemeinde Semmering berät.
Wie die gesamte Causa politisch und wirtschaftlich verzahnt ist, wollen wir kurz erörtern: Doppelreiter war wiederum selbst im Vorstand der Raiffeisen Alpin Süd in den Jahren 2011 bis 2013. Offenbar stellt die wirtschaftliche und politische Nähe für die besagten Personen kein Problem dar. Am Rande sei noch erwähnt, dass Doppelreiter als Bürgermeister Mitglied des Vorstandes im Verein Kulturverein Semmering war, gemeinsam mit Florian Krumpöck.
Ob dies nach wie vor so ist, darüber gibt es keine genauen Erkenntnisse. Auf der Webseite wird Doppelreiter namentlich nach wie vor geführt, ein Rückzug aus dem Verein stand aber im Raum. Sollte Doppelreiter nicht mehr Mitglied des Vereins sein, so hat der offene Brief von Fass ohne Boden Früchte getragen und der Bürgermeister hat die Konsequenzen gezogen.
Konfrontation der Raiffeisen
FoB konfrontierte daraufhin den Direktor der Raiffeisenbank Region Wiener Alpen. Dieser wollte weder auf die Compliance-Bestimmungen der regionalen Raiffeisenbank noch auf den „Raiffeisen-Mann“ genauer eingehen. „Da müssen Sie ihn schon selbst fragen“, so der Direktor gegenüber FoB. Selbes gilt für die Raiffeisen Niederösterreich-Wien.
Eine Sprecherin der Raiffeisen Niederösterreich-Wien gegenüber der Redaktion: Zu „Ihrer Nachfrage können wir Ihnen seitens der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien mitteilen, dass unsere Aktivitäten auf den regionalen Mehrwert analog zu unserem Gründungsgedanken abzielen. Wir halten uns selbstverständlich zu jedem Zeitpunkt an die aktuellen Gesetze und Rahmenbedingungen.“
Erstaunlich war auch, dass keine Frage zur Kooperation mit dem Kultur.Sommer.Semmering beantwortet wurde, weder von der Raiffeisenbank Region Wiener Alpen noch von Raiffeisen Niederösterreich-Wien. Beiden Banken sind Sponsoren des Kultur.Sommer.Semmering.
Doch eine Antwort des Direktors der Raiffeisenbank Region Wiener Alpen hat unser Interesse geweckt: „Über Kundenbeziehungen können wir aufgrund gesetzlicher Vorgaben (§ 38 Bankwesengesetz) keine Auskunft geben.“ Die Frage stellt sich daher, wer genau als Kunde gemeint war.
Semmering gleicht einem Fass ohne Boden
Im Zuge der Recherche rund um die Kulturförderungen des Kultur.Sommer.Semmering konnte die Redaktion in Erfahrung bringen, dass mindestens eine Landesbedienstete des Landes Niederösterreich über „Schwarzgeldzahlungen“ erfahren hat. Wie sie selbst Kenntnis davon erlangt hat, darüber lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren. Da der involvierte Kreis an Personen sehr überschaubar ist, wird sich dies in den kommenden Wochen bei den Einvernahmen der Staatsanwaltschaft wahrscheinlich sehr schnell klären lassen. Fakt ist, dass von der „Referentin beim Amt der NÖ Landesregierung“ keine Anzeige erstattet wurde (Name der Redaktion bekannt).
Und dies ist mehr als irritierend. Vor allem wird dieser Sachverhalt interessant für die ermittelnde Staatsanwaltschaft, da laut StPO § 78 eine Anzeigepflicht für Behörden und öffentliche Dienststellen besteht, bei Sachverhalten, die den gesetzmäßigen Wirkungsbereich betreffen. Und da die Referentin eindeutig dem Kulturbereich des Landes Niederösterreich zuzuordnen ist und es um Kulturförderungen des Landes Niederösterreich geht, kann klar von einer groben Verfehlung gesprochen werden. Die Frage stellt sich nur noch nach der Ambition und des Motivs.
In Summe verstecken sich eine Vielzahl an Protagonisten hinter einer „Mauer des Schweigens“. Aber die Fassade hat mittlerweile nicht nur Risse, ist löchrig wie ein Schweizer Käse.
Das Land Niederösterreich wäre gut beraten, den beschriebenen Missständen sofort nachzugehen, da schließlich in ein paar Monaten die Landtagswahlen stattfinden werden.
Bis zum heutigen Tag war der Intendant und Obmann des Kultur.Sommer.Semmering Florian Krumpöck zu einer Stellungnahme gegenüber Fass ohne Boden nicht bereit.