Die letzten zwei Wochen hatten etwas von einem emotionalen Himmelfahrtskommando. Alles Begann mit einer Einladung zum Kongress Verteidiger Europas:
Der erste österreichische Kongress gegen die ethnokulturelle Verdrängung der europäischen Völker. Eine Leistungsschau der patriotischen, identitären und konservativen Arbeit im publizistischen, kulturschaffenden sowie politischen Bereich. Als Verteidiger Europas machen wir uns gemeinsam auf, unsere Völker, Traditionen und Werte zu beschützen.
Quelle: (Verteidiger Europas).
Als ich die Zeilen als Sohn einer polnischen Einwandererfamilie gelesen habe, dachte ich mir: „WTF. Was zum Teufel ist das?“
Ich bringe es aber auf den Punkt: Meine Neugierde war größer als meine Vernunft. Ähnlich wie bei meinem ersten Mal, Sex mit einer Prostituierten, oder gar bei der ersten Line Koks als 19-Jähriger. Daher habe ich ohne zu zögern meine Teilnahme bestätigt.
Meine Teilnahme – Kritik von Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und Österreich
Ein freier Journalist fragte mich per Facebook, warum ich an diesem Kongress überhaupt teilnehme: „Graust dich vor gar nix? Hauptsache PR?“
Ich entgegnete ihm:
„Wäre mir PR wichtig, würde ich nicht hinfahren 😉 Ich scheue keine Debatte und habe kein Problem, mich mit Menschen vom linken und rechten Lager zu unterhalten.“
Mehr als verständlich. Ich spreche ständig mit interessanten Persönlichkeiten. Manche sind Freaks, absolut richtig. Andere Gesprächspartner sind im Staatsdienst tätig, manche Interviewpartner sind Politiker (jeglichen Couleurs), andere wiederum waren zum Beispiel langjährige Peepshow Betreiber. Mit anderen Worten: Ich spreche mit Vertretern des gesamten Spektrums unserer Bevölkerung. Daher differenziere ich nicht zwischen links oder rechts, geschweige, wer was ist, sondern wer was zu erzählen hat.
Die Sicht der Veranstalter
„Der Kongress „Verteidiger Europas“ ist allen Widrigkeiten zum Trotz sehr erfolgreich über die Bühne gegangen. Etwa 600 Teilnehmer wollten die zahlreichen Aussteller und Vortragenden aus dem Bereich der alternativen Medien hören und sehen“ (info-direkt). So die Perspektive der Veranstalter mit dem Namen „Verein für Meinungsfreiheit und unabhängige Publizistik die mediale Berichterstattung.“ Es ist bei weitem vielschichtiger, komplexer und differenzierter zu betrachten. Hervorheben möchte ich die Formulierung „alternative Medien“, warum ich überhaupt zu dem Kongress eingeladen wurde.
Einladung als Herausgeber von Fass ohne Boden
Humorvoll fand ich immer wieder zu lesen, dass ich in den Medien als ÖVP Politiker tituliert wurde, der an diesem Kongress teilnehmen wird. Ohne meine Position beim Wirtschaftsbund (WB) zu schmälern, aber ich bin sowas wie der stellvertretende Zwerg in der vierten Reihe. Um Obmann des WB zu werden, müsste ich lediglich drei Obmänner (Bezirk – Wien – Österreich) links oder rechts überholen. Ich hoffe, dass man meinen Zynismus zwischen den Zeilen heraus liest. Von einem namenhaften Funktionär zu sprechen, halte ich überzogen. Essentielles Detail am Rande: Ich habe bei der ÖVP keine Funktion inne, sondern bin lediglich einfaches Mitglied. Aufgrund von politischen Unstimmigkeiten und vehementen Differenzen habe ich mich gegen eine Funktion im 23. Bezirk entschieden.
Ich halte nicht viel von der vermeintlichen Objektivität im Journalismus, sondern glaube ausschließlich an die Faktentreue.
Im Gegensatz zu der Armada an Redakteuren, die sich nicht zu ihrer Parteipräferenz öffentlich bekennen möchte, bin ich deklariert, genauso wie jeder Redakteur in unserer Redaktion. Ich halte nicht viel von der vermeintlichen Objektivität im Journalismus, sondern glaube ausschließlich an die Faktentreue. Und es mir persönlich vollkommen egal, was ein Redakteur bei der letzten Wahl gewählt oder nicht gewählt hat, aber die ständige Unterstellung von Lesern und Journalisten ist auf Dauer lähmend. Daher glaube ich, dass ein Commitment für Journalisten in der politischen Kommunikation die Glaubwürdigkeit stärkt. Entweder bin ich ein Linker, dann kann ich das doch auch als Redakteur kundtun, und zugeben, dass ich für die Werte einer KPÖ einstehe. Umgekehrt darf es kein Problem sein, sich als Wähler der FPÖ zu deklarieren. Wo zum Teufel soll das hinführen, wenn ich als Journalist privat zu der Gesinnung und Ideen einer Fraktion nicht stehen darf? Ich denke, dass hier viele Kolleginnen und Kollegen Nachholbedarf haben. Vielleicht sollte ich mal den Dunstkreis der politischen Redakteure in Österreich aufbohren. Da sind wahrlich viele Leichen im Keller.
Thema aufbohren und Kongress: Mein Prestigeprojekt „Stadt Wien – Fass ohne Boden“ mit den Kooperationspartnern Correct!v und NZZ.at, das war der Grund, warum ich zum Kongress eingeladen wurde. Was es heißt, tagtäglich Gegenwind zu bekommen. Jeden Tag sich mit einer Schar an Trollen herumzuschlagen und sich unterstellen zu lassen, ein Verschwörungstheoretiker zu sein. Wie es ist, Crowdfunding zu betreiben und Menschen zu einer Spende zu überzeugen. Jeden Tag an etwas zu glauben, für Österreich einen Beitrag für mehr Transparenz zu leisten. Warum man als politischer Aufdecker Leidenschaft und Leidensfähigkeit benötigt. Warum man Genitalien aus Stahl haben muss, da Tiefschläge „part of the game“ sind. Große Cochones braucht man definitiv, wenn man im Fokus dieser Berichterstattung steht. Der Versuch einer Reflexion.
Mainstream Medien und Diffamierung
„Mainstream-Medien, die sich mit den Forderungen der Totalitären gemein machen und uns direkt oder indirekt in ihrer Berichterstattung das Recht auf die Nutzung öffentlicher Räumlichkeiten versagen, haben keinen Anspruch darauf, an der Veranstaltung teilzunehmen oder (gratis) Presseakkreditierungen zu verlangen. Gleiches gilt für jene Medien, die danach trachten, in ihrer undifferenzierten Berichterstattung Aussteller, Referenten oder Kongressteilnehmer zu diffamieren. Das Recht auf „Pressefreiheit“ – für das wir selbstverständlich auch bei unseren Gegnern eintreten – ist nicht mit dem Recht auf Diffamierung und Hetze gleichzusetzen.“
Die Veranstalter haben eine Vielzahl an Redakteuren zum Kongress nicht zugelassen. Kein Wunder.
Das systematische Aussperren von Journalisten ist übrigens die populärste Form der Unfreiheit. Und ein Anfang. #noEfLinz #KongressVE
— Christoph Schattleitner, edi.social/@Schattleitner (@Schattleitner) October 29, 2016
Kollege Schattleitner von Vice kritisiert beispielsweise die Einlasspolitik zum Kongress. Wenige Wochen zuvor hat Vice den Artikel „Die Teilnehmer des „Kongress der Verteidiger Europas“ nach Rechtsextremismus-Faktor sortiert“ veröffentlicht. Der Artikel beurteilt und vorverurteilt ausgewählte Protagonisten und Redner vom Kongress. Auf einer zehnstelligen Skala wird bewertet, wie rechtsextrem der Sprecher, der Verein oder das Medium sei. Der Index wurde selbstverständlich nicht operationalisiert. Es gibt keine Kriterien, die begründen würden, wie die Wertung zustande kommt. Meinungen werden als Fakten dargestellt. Den Kollegen fehlt es vermutlich an Methodenwissen. Kein Wunder, die vielen Studenten in der Redaktion werden die Einführungsveranstaltung in sozialwissenschaftliche Methoden nicht belegt, geschweige positiv absolviert haben.
Selbstverständlich hat auch der ORF über die Ereignisse berichtet. Gestern in der ZIB 2 oder auch auf FM4. Ein FM4 Redakteur hat den sogar Kongress analysiert, wohlgemerkt aus einer stark verzerrten Perspektive, wer hinter „dem rechtsextremen Kongress am 29.10. in Linz steckt“. Derselbe Redakteur äußert sich beispielsweise über die Mehrheit des polnischen Parlaments wie folgt:
Die Mehrheit des polnischen Parlaments: schlicht ein reaktionärer und frauenfeindlicher Dreckshaufen! #prochoice!https://t.co/2cmS4MxSeH
— Michael Bonvalot (@MichaelBonvalot) September 23, 2016
[Anmerkung: Diese verbale Entgleisung ist unterirdisch, unverzeihlich und für einen Redakteur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unwürdig. Ich habe daher die Polnische Botschaft in Wien kontaktiert.]
Genau dieser Redakteur äußert sich zu der Verunreinigung der Uniform von Exekutivbeamten, die während der Demonstration für Sicherheit gesorgt haben. Möge der Leser sich selbst ein Bild machen:
Lockere Finger und derbe Unterstellungen
Ich erlebe täglich verbale Entgleisungen. Menschen fühlen sich von mir angepisst, viele werden am Telefon nervös, nehmen Fragen persönlich, wollen schlichtweg nicht auf meine Fragen antworten oder holen gar zum Gegenschlag aus. Gemäß dem Motto: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten.“
Andererseits ist der Ruf ruiniert, lebt es sich ungeniert. Spannend wird es, wenn sich politische Akteure zu Wort melden. Noch spannender wird es, wenn mein Rechtsanwalt agieren muss. Ein Kollege der SPÖ Wien hat diese Woche einen „Widerruf“ auf Facebook veröffentlicht:
Kongress Europa – Inhalte und Aussteller
Nachfolgend nur ein Auszug. Es waren in der Tat viele Protagonisten, Vereine und Printmedien anwesend.
Ein Prozent
Ich sprach mit einem Vertreter von „Ein Prozent“, einer Grassroots-Lobby, die sich für „Sichere Grenzen. Innere Sicherheit. Unsere Zukunft“ einsetzt und zur Vernetzung von rechten Gruppen in Deutschland dient. Das Motto des Vereins lautet: „Störe die kleine Ordnung, um die große Ordnung zu bewahren!“. Dem Folder ist zu entnehmen, dass die Organisation jeweils nur ein Prozent der Bürgerinnen und Bürger als Unterstützer gewinnen möchte, um ihre Ziele zu erreichen. Wesentlich erscheint hier das Wording: „Flüchtlingsinvasion ist eine Katastrophe für Deutschland und Europa“.
Burschenschaft Arminia Czernowitz
Der Veranstaltungsort, die Redoutensäle, wurden für den Kongress von der „Akademischen Burschenschaft Arminia Czernowitz zu Linz“ angemietet. Die Burschenschaft, im katholischen Korporiertenkreisen auch Buxen genannt, werben mit folgenden Argumenten:
5 Gründe der Arminia Czernowitz beizutreten
Du lernst in brenzlingen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren
Du findest echte Freunde fürs Leben
Du lernst deine Heimat und deine Wurzeln kennen
Du stichst hervor aus der farblosen Gesellschaft
Du bekommst deinen eigenen Eintrag auf der schwarzen Liste von GRAS und VSSTÖ
Ich kann den Leser beruhigen, man kann auch als „katholischer Burschenschafter“, so formuliert der besagte FM4 Redakteur einen Vertreter des Österreichischen Cartellverbandes, von der Studienvertretung GRAS in einer OTS thematisiert werden. Bemitleidenswert halte ich die Tatsache, dass die Studierenden nicht einmal in der Lage sind, meinen Namen richtig zu schreiben. Ich weiß, Polnisch klingt so, als ob Bienen sich unterhalten würden, sprich v und w schwingen vor sich hin. Abgesehen von der dreisten Art, sich in Szene zu setzen, sehe ich keine Verbindung von der ÖH, dem Kongress und einer Legitimation, ÖH-Mitgliedsbeiträge für eine derartige OTS einzusetzen. Aber in Österreich ist scheinbar alles möglich, wie wir am Café Rosa gesehen haben.
Identitäre Bewegung
Sagen wir mal: Headliner. „Die erste Reihe gegen den Asylwahn, gegen Islamisierung und gegen den großen Austausch. Wir sind Patrioten, die Teil der Lösung und nicht Teil des Problems sind“ ist einem Folder der Identitäre Bewegung zu entnehmen. Bei den Gesprächen mit den Vertretern ist mir aufgefallen, dass eine absolute Rededisziplin allgegenwärtig ist. Ich verstehe persönlich den Zorn der vielen Linken in diesem Land: Diese Bewegung bietet bei Statements ein minimales Potential der Angriffsfläche an. BTW: Identitäre Bewegung ist jene Organisation, die in diesem Jahr eine Jelinek-Aufführung gestürmt hat. Meine persönliche Meinung zur IB habe ich bereits im Juni publiziert:
https://twitter.com/SuroAlex/status/741224373848276992
Chefredakteure und Herausgeber – Podiumsdiskussion über „Alternative Medien“
Die Besetzung sah wie folgt aus:
Roland Hofbauer – alles roger?
Jan Ackermeier – Info-Direkt
Jürgen Elsässer – Compact
Alexander Malenki – Laut gedacht
Bernhard Tomaschitz – Zur Zeit
Alexander Surowiec – Fass ohne Boden
Walter Asperl – Unzensuriert.at (Moderator)
Die Fragen und Themen waren vielschichtig. So stellte Walter Asperl mir die Frage, wer die Zielgruppe von Fass ohne Boden sei. Ich wurde auch gefragt, warum ich hier bin und ob das nicht einer Vielzahl an Parteikollegen ein Dorn im Auge sei. Ich entgegnete, dass ich meinen Cartellbruder Django ein wenig ärgern wollte. Abgesehen von diesem Späßchen, betonte ich Bedeutung von Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit. Und auch die Rolle und Bedeutung von Haltung, dass man für seine Standpunkte in einen Diskurs treten muss. Daher wende ich mich an dieser Stelle an linke Organisationen, mich zu einer Veranstaltung oder Kongress einzuladen. Sehr gerne diskutiere ich mit euch.
Aber auch die Absage von Bischof Andreas Laun fand einen Einzug in die Podiumsdiskussion. Als Konservativer musste ich für die Kirche die Lanze brechen und festhalten, dass die Kirche keine Demokratie sei. Hierarchie und „der Befehl“ kam selbstverständlich „von oben“. Daher auch der Vergleich mit dem Militär: „Der Oberst hat befohlen und den Oberstleutnant zurückgepfiffen.“
Natürlich wurden die Herausgeber gefragt, wie viel Geld Russland beisteuert. Verschwörungstheorien müssen schließlich gefüttert werden. Scherz beiseite, tatsächlich werden viele Herausgeber mit solchen Aussagen diskreditiert. Man versucht an der Reputation zu kratzen.
Der Oberst hat befohlen und den Oberstleutnant zurückgepfiffen.
Mein Fazit
Ein gefüllter Saal von Rechten oder ein Treffen von Rechten? Ja, damit kann ich leben. Ich habe kein Problem damit, dass mir jemand sagt, ich habe an einem rechten Kongress teilgenommen. Mich hingegen als „rechtsextrem“ oder gar „rechtsradikal“ zu bezeichnen? Das ist eine klare Diffamierung meiner Person.
Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass Rechtsextreme bei diesem Kongress anwesend waren, wohl gemerkt in einer überschaubaren Anzahl, aber eine Pauschalisierung halte ich für unhaltbar.
Und so bitter der Geschmack ist, in einer Demokratie muss es Platz für Rechtsextreme und für Linksextreme geben. Ich denke, dass Michael Fleischhacker die passenden Worte gefunden hat:
„In einem Rechtsstaat wie Österreich darf man sowohl Rechtsextremist als auch Linksextremist sein, so lange man im Ausleben seiner Überzeugungen nicht die Grenzen des geltenden Rechts überschreitet.“
Über Alexander Surowiec
Herausgeber. Chefredakteur.
Privat: Politisch ein schwarzes Auge. Digital Strategist. Hobby Triathlet.