So viel Schönrederei, wie es sich die SPÖ die letzten Monate geleistet hat, strapaziert. Nicht nur den Glauben der letzten Getreuen, auch die geduldigen Hörer, Seher und Leser jener Medien, die den Wandel der SPÖ und die Wanderung seines Ex-Kanzlers, begleiten. Die Inhalte grätschen zwischen Versagen, Trutz und Machtgier. Whatever, Kern hält wach.
Kern hat angekündigt, sich aus der Politik zu verabschieden. Laut und doch leise, das öffentlich rechtliche Fernsehen widmete einem Ex-Kanzler, der Opposition nicht mehr geil fand, weil er es nicht konnte, eine Sondersendung. Er, der seine Partei als Chef spontan verlassen hat, bekommt medialen Raum und Zeit für seine Argumente. Der Ex-Kanzler und Ex-Parteichef, der sich dazu auserwählt fühlte, die Europäische Union fürderhin zu führen, jedoch daran scheiterte dafür genug Unterstützung auf dem internationalen roten Parkett zu bekommen, darf im TV, auf meinem, deinem, unseren, GIS-gestützten Fernseher, verkünden, warum etwas nicht so funktionierte, wie er sich das vorstellte. Life is a b****.
Er reiste und redete, klopfte an Türen führender Genossen in ganz Europa. Vergeblich. Und während das Kätzchen aus dem Haus war, feierten die Mäuse Parteitag. Für seine, von ihm präferierte Nachfogerin Pamela Rendi-Wagner und ihrem neuen Geschäftsführer Thomas Drozda, lief damit das Fass über. Wie SPÖ-Insider zu wissen glaubten, entzogen ihm beide die Unterstützung für eine EU-Kandidatur und bringen nun gleich einen neuen Mann ins Spiel: Andreas Schieder, der in Wien parteiintern an Michael Ludwig scheiterte und Nichtbürgermeister wurde, als Klubobmann in die Parteizentrale einzog, Ende September wieder auszog und nun offenbar nach Brüssel zieht. Dass in die Europäische Union stets nur die Eliten der nationalen Politik gesandt werden, veranlasst den grübelnden Europäer, und auch die Euroäerinnen, zu zweifeln.
Kerns Argumente, oder wie man vergeblich auf selbige wartete
Wie meinen Kern in der ORF-Sondersendung? Lob für die eigene Partei (die ehemalige). Kritik an der Regierung. “Europa brauche neue Wege, die Frontstellungen zwischen den Mitte-Links-Mitte-Rechts-Parteien hätte sich verändert. Man müsse neue Bündnisse und neue Partner suchen, die das proeuropäische Bild repräsentieren.” Das Auditorium ringt nach einem Argument seines Rückzuges. Kommt noch nicht. Er stellt in Frage:
“Wie können wie die Mitte zurückgewinnen?”
Kern habe die Partei, so sagte er, in einer wesentlich besseren Position übergeben, als er sie übernommen hat. Er zählt Erfolge der SPÖ auf. Und wieder Kritik an der Regierung. Noch immer kein Grund für seinen Abgang.
Nun fühlt er sich erleichtert. Der 2-einhalb Jahre Politiker. Gönnt sich heute Abend ein Glas Rotwein. Die SPÖ wieder zur Nummer eins zu machen, das wünscht sich Kern. Nur ohne ihn. “Kurz soll seine Politik nicht nach dem puren Machterhalt richten”, appelliert Kern zum Schluss. War das ein Anflug von Realitätsverlust? Nach Jahrzehnten roten Regierens? Tipps aus der Opposition von einem Kurzzeitpolitiker, der nie einer sein wollte. Auch kein Argument. Noch immer nicht.
Konkrete Angebote? “Ich sehe meine Zukunft in der Wirtschaft, im Unternehmertum”, sagt Kern. Er würde eine eigene Karriere im Unternehmertum entwickeln. “Das Leben ist so vielfältig”. Auch kein Argument. Nicht einmal ein Job in Aussicht.
Es werden keine 10 Jahre in der Politik werden. “Da geht es nicht um mich, sondern darum, was nützt dem Land und was nützt der SPÖ am meisten?” Was? Sein Abgang? Seltsames Argument, wenn man dies als Begründung hernehmen möchte.
Und wenn schon. Kern kam in die Politik – und ging wieder. In die Privatwirtschaft. So wie es andere bundeskanzlernde Genossen, jedoch mit weniger Aufmerksamkeit, vorlebten:
Franz Vranitzky: Politischer Konsulent der WestLB. Aufsichtsratsmitglied Magna International. Aufsichtsratsmitglied der TUI AG, Aufsichtsratsvorsitzender der Magic Life der Club International Hotelbetriebs GmbH.
Viktor Klima: VW-Konzern, Volkswagen Argentina S.A. Mitglied der Konzernleitung für Südamerika und Generalbevollmächtigter der Volkswagen Aktiengesellschaft.
Alfred Gusenbauer: Alleingesellschafter der Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH. Aufsichtsrat der Österreichische Bundesbahnen-Holding Aktiengesellschaft. Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mit beschränkter Haftung. Vorstand zweier Stiftungen und Gesellschafter mehrerer GmbHs und in mehreren Gesellschaften Geschäftsführer. Osteuropa-Experte für die WAZ-Mediengruppe. Im Aufsichtsrat der Alpine Holding GmbH. Aufsichtsratsvorsitz STRABAG SE. Vorsitzender der Haselsteiner-Familienstiftung. Im Aufsichtsrat der SIGNA-RECAP Holding AG. Europa-Direktor Equitas European Funds. Im Board of Directors Gabriel Resources. Berater des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Stiftungsvorstand der Wartenfels Privatstiftung. Miteigentümer der Cudos Advisors GmbH. Gastprofessor an der Universität Innsbruck. Im Aufsichtsrat Löwen Entertainment. Mitglied des Aufsichtsrates der RHI AG. Beirat des Alpenländischen Kreditorenverband.
Werner Faymann: Eigenes Unternehmen mit Fokus auf die Entwicklung von Immobilienprojekten sowie Öffentlichkeitsarbeit.
Was wird es werden Herr Mag. Kern? OMV? Gazprom? Lukoil? Dem geprüft geplagten Österreicher und Österreicherin kann nichts mehr überraschen, nichts mehr erschüttern. Obwohl danach gefragt, kommentierte er das Stichwort ‘Gazprom’ als Unsinn. Was alles an Unsinn in diesem Abschnitt dunkelroter Epoche bereits real wurde, daran erinnert man sich ungern. In ein paar Monaten … nur ein unnötiges Kapitel mehr in der Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie.