In den vergangenen drei Wochen hat es verschiedene Versionen zu angeblichen Geldübergaben im Umfeld von der ehemaligen EU-Abgeordneten Barbara Kappel (FPÖ) gegeben. Wir fassen die wichtigsten Erkenntnisse in der Causa Kappel zusammen und werfen die Frage auf, ob die Aussagen von Kappel stimmig sind. Eines vorab: Aus dem direkt Umfeld des bulgarischen Geschäftsmanns wurde heute der Redaktion die Summe von 75.000 Euro bestätigt.
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Chronologie der Ereignisse
29. November 2019: 55.000 Euro in drei Tranchen übergeben, FPÖ dementiert
Erstmals berichtete der Kurier (Ida Metzger) in dem Artikel „Geldkuvert an FPÖ-Klub: Staatsanwaltschaft bestätigt Ermittlungen“ über „drei Tranchen“, wo angeblich „insgesamt 55.000 Euro“ an die FPÖ übermittelt wurden. Gegenüber dem Kurier äußerte sich am 29. November 2019 der FPÖ-Anwalt Christian Ragger wie folgt: „Wir können sagen, dass nach dem Überprüfen der Sach- und Rechtslage keine Parteispende im Klub eingegangen ist.“
Die Kuverts, so der Kurier, „soll Kappel in einem Gebäude auf der Kärntner Straße abgeholt und in den FPÖ-Parlamentsklub gebracht haben.“ Vermutlich handelt es sich um die Adresse eines Sicherheitsunternehmens, welches im engsten Kontakt mit dem bulgarischen Geschäftsmann steht. Aus der Fass ohne Boden Recherche geht hervor, dass der Geschäftsmann direkt neben der Sicherheitsfirma sein Büro hatte.
7. Dezember 2019: 100.000 wurden verlangt
derstandard.at deckt neue Details auf und ermöglicht einen Einblick in das Umfeld des bulgarischen Geschäftsmanns. Im Artikel von Renate Graber und Andreas Schnauder wird in der Causa Kappel auch der verstorbene Medienberater vom bulgarischen Geschäftsmann, Philipp Buchner, erwähnt. Fass ohne Boden berichtete bereits über die dubiosen Umstände zu dem Todesfall. Darüber hinaus ist zu erfahren, dass es sich „um eine Verschlussakte“ handle.
7. Dezember 2019: Darlehen über 100.000, FPÖ und Kappel dementieren Mandatskauf
Die Woche drauf reagierte bereits der FPÖ-Generalsekretär Hafenecker in einem weiteren Kurier-Artikel: „FPÖ wird gegen Lügen wegen angeblichen Mandatskaufs juristisch vorgehen.“ Interessanter Ansatz: Kappel äußert sich gegenüber dem Kurier: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt den Versuch unternommen, ein EU-Mandat zu kaufen, noch ist die Partei oder der ehemalige Parteiobmann mit so einem Ansinnen an mich herangetreten.“ Aus dieser Aussage geht hervor, dass Heinz-Christian Strache laut Kappel nicht an sie herangetreten sei.
Spannend erscheint nun die Formulierung „Darlehen“, obwohl in der Vorwoche jeweils von einer Spende die Rede war.
Dem Artikel ist auch zu entnehmen: „Der Vorwurf des versuchten Mandatskaufs durch Kappel sei unverständlich und unlogisch, da bereits klar gewesen sei, dass Kappel wegen inhaltlicher Differenzen nicht mehr von der FPÖ für die EU-Wahl 2019 aufgestellt werde, unterstrich der FPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky, gegenüber dem ORF.“
Wesentliche neue Information in diesem Artikel: „Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigte, dass Kappel nicht als Beschuldigte geführt werde.“
16. Dezember 2019: 55.000 Euro in drei Kuverts
Gestern legt oe24.at (Richard Schmitt) in der „Causa Kappel“ kräftig nach. Die Darstellungen erhalten eine neue Sicht der Dinge, sprich Details zum bulgarischen Geschäftsmann werden offengelegt: „Der häufig in Wien lebende Geschäftsmann steht aktuell unter dem Verdacht der Geldwäscherei, bei einer Verurteilung nach § 165 Strafgesetzbuch drohen S. bis zu zehn Jahre Haft.“
Darüber hinaus wird nun eine Facette von Kappel präsentiert. Die ehemalige EU-Abgordnete hätte sich ein „Okay von Parteichef Heinz-Christian Strache geholt: „Strache meinte bei einer Veranstaltung im Palais Niederösterreich: ,Wenn du ihm schon mit so viel Einsatz hilfst, soll er doch etwas für die Partei spenden.‘ Ich fragte: ,Wie viel?‘ Strache antwortete: ,100.000.‘“
So gibt es aber weitere, neue und mittlerweile abenteuerliche Detailinformationen. Das Geld sei angeblich bei „drei Treffen in einem Wiener Fünf-Sterne-Hotel an der Ringstraße“ übergeben worden. „Das Geld hätte Kappel an „einen Mittelsmann“ (der Name ist der Redaktion bekannt) ausgehändigt. “ Der Empfänger der Kuverts soll ein „verstorbener Ex-Nationalrat“ gewesen sein.
17. Dezember 2019: 75.000 Euro in drei Tranchen
So ist es nicht verwunderlich, dass am heutigen Tag neue Erkenntnisse über kurier.at (Kid Möchel, Birgit Seiser und Dominik Schreiber) an die Öffentlichkeit gelangt sind. Spannend lesen sich die Chatprotokolle, sollte man diese noch nicht gesehen haben. In den vergangenen Wochen wurden diese Protokolle der Staatsanwaltschaft übermittelt.
Fass ohne Boden Recherchen haben ergeben, dass der verstorbene Berater häufigen Kontakt zu einem der genannten Redakteure vom Kurier hatte. Dies geht auch aus Chatprotokollen hervor, die Fass ohne Boden nach dem Tod von Philipp Buchner einsehen konnte. Besonders seltsam erscheint das inszenierte Ereignis rund um Johann Gudenus in der sogenannten „Watschen-Affäre“.
Hintergrundgespräche mit ranghohen FPÖ-Funktionären
Gegenüber der Fass ohne Boden Redaktion war Heinz-Christian Strache nicht für ein Interview bereit.
Erstaunlich ist auch, dass eine Vielzahl an FPÖ-Funktionären sich nicht zu der Causa offiziell zu Wort melden möchten. Das Umfeld um den ehemaligen Parteiobmann Strache war aber bereit, sich der Redaktion bei einem Hintergrundgespräch anzuvertrauen, jedoch anonym und ohne einer namentlichen Nennung im Artikel.
Wie man aus gut informieren Kreisen von FPÖ-Insidern und ehemaligen Weggefährten hört, kennt der ehemalige Parteiobmann Strache den fragwürdigen bulgarischen Geschäftsmann persönlich nicht, welcher aber mit der EU-Abgeordneten Kappel seit Jahren im Kontakt steht. Darüber hinaus konnte von mehreren Personen bestätigt werden, dass im vergangenen Jahr Kappel mit dem bulgarischen Geschäftsmann bei der Geburtstagsfeier eines blauen Funktionärs im Café Restaurant Rathaus war. Hier dürfte Strache überhaupt das erste Mal den bulgarischen Geschäftsmann getroffen haben.
Die Redaktion konnte auch in Erfahrung bringen, dass Strache und Harald Vilimsky seit über drei Jahren nicht mehr Barabara Kappel für das EU-Parlament aufstellen wollten. Kappel geriet in parteiinterne Kritik, aufgrund ihres Abstimmungsverhaltens bei EU-Abstimmungen. Dies soll zu massiver Ablehnung beim ehemaligen Parteichef und Vilimsky geführt haben.
Warum auch immer Kappel „einen verstorbenen Nationalratsabgeordneten“ nun nennt, erscheint für viele Funktionäre nicht nachvollziehbar. Diese Unterstellung verschafft einen großen Unmut unter den blauen Funktionären gegenüber Kappel. So mancher Funktionäre spricht von einer „Schutzbehauptung“, möchte aber diese nicht näher erörtern.
Was aber tatsächlich seltsam erscheint: 2017 ist der Nationalratsabgeordnete aus Krankheitsgründen von seinem Mandat zurückgetreten und hatte bis kurz vor seinem Tod mit Heinz-Christian Strache keinen Kontakt. Es entspricht auch der Wahrheit, dass weder Strache und noch Vilimsky sich überreden lassen haben, Barbara Kappel erneut für die EU-Liste 2019 aufzustellen. Es entspricht auch der Wahrheit, dass der bulgarische Geschäftsmann nun sein Geld zurückbekommen möchte.
Daher ein Gedankenanstoß: Was wäre, wenn tatsächlich die Kuverts nie an einen blauen Funktionär oder Mittelsmann der FPÖ übergeben wurden?
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Zur Person Barbara Kappel
Barbara Kappel war von 2014 bis Juni 2019 für die FPÖ EU-Abgeordnete. Davor war sie Abgeordnete des Wiener Gemeinderats. 2015 wurde sie „als die Wirtschaftswunderwaffe von Heinz-Christian Strache“ bezeichnet (kurier.at).
Foto: Jaroslav Moravcik – Adobe stock