Israels Oberstes Gericht hat ein zentrales Element der umstrittenen Justizreform für ungültig erklärt. Acht der 15 Richter stimmten dafür, die im Juli verabschiedete Gesetzesänderung zu kippen. Diese Änderung hatte dem Gericht die Möglichkeit entzogen, gegen als „unangemessen“ erachtete Entscheidungen der Regierung vorzugehen.
Reaktion der Regierung
Israels Justizminister Jariv Levin kritisierte das Gericht scharf. „Mit ihrer Entscheidung nehmen die Richter die ganze Macht in ihre Hände“, sagte er auf Telegram. Levin, der Hauptarchitekt der Justizreform, warf dem Urteil vor, „Millionen Bürger ihrer Stimme zu berauben“ und kritisierte die Veröffentlichung des Urteils „mitten im Krieg“ als schädlich für die nationale Geschlossenheit.
Historische Dimension
Noch nie in der Geschichte Israels hat das Oberste Gericht ein vergleichbares Gesetz einkassiert. Bei Nichtakzeptanz der Entscheidung durch die Regierung droht dem Land eine Staatskrise. Die Gesetzesänderung war trotz massiven Widerstands durchgesetzt worden. Eine historische Gerichtsverhandlung mit allen 15 Richtern fand im September statt, um über acht Petitionen gegen die Gesetzesänderung zu beraten.
Gesellschaftliche Spaltung
Die Justizreform hat die israelische Gesellschaft tief gespalten. Monatelang protestierten Hunderttausende gegen das Vorgehen der Regierung, das sie als Gefahr für Israels Demokratie ansahen. Die Regierung verteidigte sich, das Gericht sei zu mächtig und ein Gleichgewicht müsse wiederhergestellt werden. Kompromissversuche scheiterten.
Krieg und Politik
Die heftigen Streitigkeiten gelten als einer der Gründe für die Überraschung Israels durch den Angriff der Hamas am 7. Oktober. Levin hatte gefordert, die Urteilsverkündung bis nach dem Krieg zu verschieben, um das Volk nicht zu spalten. „Während unsere Soldaten kämpfen, darf das Volk Israel nicht durch Streitigkeiten zerrissen werden“, argumentierte er.
Rückschlag für Netanyahu
Für Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ist das Urteil ein Rückschlag. Seit dem 7. Oktober hat er in Umfragen an Popularität verloren. Viele kritisieren sein Fehlen von Verantwortungsübernahme für das Hamas-Massaker. Auf die Frage, ob er ein Urteil gegen die Gesetzesänderung respektieren würde, antwortete Netanyahu in einem CNN-Interview: „Ich glaube, wir sollten uns an die Urteile des Obersten Gerichts halten und das Oberste Gericht sollte sich an die Grundgesetze halten.“