Innenminister Wolfgang Peschorn beantwortet erneut nicht eine parlamentarische Anfrage. Dieses Mal betrifft es die Anfrage von Hans-Jörg Jenewein, die am 25. September 2019 vom damaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten eingebracht wurde. Der Innenminister hätte, laut Webseite des Parlaments, bis zum 25. November 2019 die Anfrage beantworten müssen. Die aktuelle Causa erinnert an die Nichtbeantwortung einer Anfrage der Liste Jetzt. Bereits vor wenigen Wochen äußerten sich NEOS zur der Causa und bezeichneten den Vorgang als „demokratiepolitisch bedenklich“.
Hintergrund für die Jenewein-Anfrage war eine „Fass ohne Boden“-Enthüllung vom 18. September 2019. Dem Artikel („BMI-Datenleck: Programmierer konnten unbemerkt auf Polizeidaten zugreifen„) sind geleakte Dokumente aus dem Innenministerium zu entnehmen, die scheinbar für das BMI höchst unerfreulich sind.
Was möchte das BMI verheimlichen?
Zum jetzigen Zeitpunkt kann nicht nachvollzogen werden, warum Innenminister Peschorn die schriftliche Anfrage nicht beantwortet hat.
Grundsätzlich können schriftliche Anfragen von fünf Abgeordneten des Nationalrats an die Bundesregierung oder eines ihrer Mitglieder gerichtet werden. Sie müssen innerhalb von zwei Monaten beantwortet werden. Im Falle der aktuellen Jenewein-Anfrage ist dies nicht geschehen. Die Beantwortung erfolgt in der Regel schriftlich, das befragte Regierungsmitglied kann aber auch mündlich antworten.
Hans-Jörg Jenewein gegenüber „Fass ohne Boden“: „Es handelt sich dabei um eine grobe Missachtung des Gesetzgebers, sprich des Parlaments. Ich kann mich nicht erinnern, dass sowas jemals stattgefunden hat.“
Die NEOS-Aufdeckerin und Nationalratsabgeordnete Stefanie Krisper gegenüber Fass ohne Boden: „Wenn hier nicht ein technischer Fehler eine Übermittlung verhinderte, sondern Innenminister Peschorn die Anfrage innerhalb der Frist unbeantwortet ließ, muss dies diskutiert werden. Und umso mehr wird nun eine fundierte, detaillierte Antwort erwartet.“
Aus dem Umfeld des blauen Parlamentsklubs ist zu hören, dass eine kurze Debatte über die Nicht-Beantwortung der schriftlichen Jenewein-Anfrage geplant ist. Dies geschieht in der Regel nur dann, wenn eine Beantwortung als ungenügend erachtet wird oder neue Fragen aufwirft.
Rückblick: BMI-Datenleck Affäre
Von jedem Polizeibeamten wird jede Abfrage in Datenbanken protokolliert, um einen Missbrauch zu verhindern. Hingegen die Programmierer eines externen IT-Unternehmens konnten, vermutlich sogar über Jahre hinweg, auf die Datenbank des Innenministeriums zugreifen, und zwar „ohne Überwachung“. Was genau gemeint ist, erörtert ein geleaktes E-Mail: „sämtliche Zugriffe und Aktivitäten die direkt auf der Datenbank erfolgen nicht protokolliert“ und „keine Überwachung durch Betrieb IV/2/c möglich ist.“
Auf welche Daten hatten externe Programmierer Zugriff?
Mitarbeiter der externen Firma hatten „nicht protokollierten Remote-Zugriff“ auf Echtdaten, sondern auch Zugriff auf Programme und Datenbanken von „PAD, IKDA, VStV BMI & Sirene.“ Da nur einem Polizisten diese Kürzel etwas sagen, ein kurzer Überblick der Programme.
PAD steht „Protokollieren-Anzeigen-Daten“ und protokolliert automatisch jedes eingehende Geschäftsstück von Polizisten. Mehr als 28.000 Beamte – vom Streifenpolizisten bis zum Ermittler des Bundeskriminalamts – arbeiten seit 2007 mit dem Computerprogramm PAD. Anzeigen und Vernehmungen werden mit diesem Programm administriert. Weitere Informationen über PAD.
IKDA bedeutet „Integrierte Kriminalpolizeiliche Datenanwendung“. Das Bundeskriminalamt verarbeitet mit dem Programm IKDA nationale und internationale kriminalpolizeiliche Daten. Durch Analyse und Aufbereitung der Daten erhofft man sich neue Erkenntnisse in der Kriminalitätsbekämpfung. Weitere Informationen über IKDA.
VStV BMI bedeutet „Verwaltungsstrafverfahren“ des BMI. Seit 2013 wird österreichweit ein Programm für Verwaltungsstrafverfahren verwendet. Dieses Programm dient zur Erstellung und Übermittlung von Verwaltungsübertretungsdaten an die Verwaltungsstrafbehörden.
SIRENE ist das Akronym für „Supplementary Information Request at the National Entry.“ Ob Haftbefehle, Abgängige, Aufenthaltsverbote, Aufenthaltsermittlungen, Fahrzeuge, Identitätsdokumente, Blankodokumente, Schusswaffen oder Banknoten: Das Sirene-Büro im Bundeskriminalamt kann auf 76,8 Millionen Ausschreibungen im Schengener Informationssystem (SIS II) zugreifen. Dieses Programm ist das Kernstück der Schengen-Zusammenarbeit. Das österreichische System ist in einem Hochsicherheitsbereich des BMI untergebracht. Weitere Informationen hier SIRENE und die Möglichkeit über die eigenen Daten des SIS II abzufragen.
Parlamentarische Anfrage mit politischer Sprengkraft
Ein Auszug an Fragen:
- Was wird mit dem Programm EDIS im BVT bearbeitet/verarbeitet/gespeichert?
- Welche Informationen werden nach dem InfoSiG (Informationssicherheitsgesetz) klassifiziert?
- Gilt dieses Gesetz auch für die LVTs-Landesämter für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und andere nachgeordnete Sicherheitsbehörden?
- Wer war der jeweilige Informationssicherheitsbeauftragte seit Inbetriebnahme des EDIS?
- Exemplarisch: Sind Informationen der CIA, des MI6, des MOSSAD, des BND, des HNaA, etc., die mit CONFIDENTIAL/VERTRAULICH, gekennzeichnet sind im EDIS gespeichert?
- Entspricht es der Wahrheit, dass es BVT Mitarbeitern mit Laptops möglich ist, via Fernzugriff („Tunnellösung“) von überall aus der Welt auf das interne BVT System und damit auch auf die im EDIS gespeicherten Partnerdienstinformationen ohne Einschränkung zuzugreifen?
Zur Anfrage: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_04192/index.shtml
Zur „Fass ohne Boden“-Enthüllung: BMI-Datenleck: Programmierer konnten unbemerkt auf Polizeidaten zugreifen