Wie wichtig der bevorstehende “Ibiza Untersuchungsausschuss” im Juni 2020 sein wird, belegt das “Fass ohne Boden” zugespielte Dokumente bei der Aufarbeitung der sogenannten “Ibiza Affäre”.
Knapp ein Jahr ermittelt die „Soko Ibiza“ (polizeiintern auch “Soko Tape genannt”) über die Drahtzieher des Ibiza-Videos. Die Veröffentlichung des Videos beendeten die politische Karrieren von Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache (beide FPÖ). Laut addendum sind die “Soko Ibiza”-Fahnder in insgesamt 35 Ermittlungsverfahren aktiv. Ein Ermittlungsverfahren, angesiedelt bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten, bezieht sich auf einen “Missbrauch der Amtsgewalt bzw. Verletzung des Amtsgeheimnisses” gegen einen Exekutivbeamten.
Salzburger Kriminalbeamter packt aus
Im Zuge dieses Verfahrens ist die schriftliche Stellungnahme von dem Exekutivbeamten M. P. aus Salzburg, welche mit 4. April 2020 datiert ist, zu entnehmen. Und die zehnseitige Stellungnahme hat es in sich: Das Schriftstück gleicht einem Rundumschlag gegen mehrere Kriminalbeamte und zeigt die Nähe einzelner Protagonisten des Ibiza-Netzwerks zur österreichischen Kriminalpolizei.
Dem Leser wird bewusst, dass den Gesetzeshütern jegliches Verständnis für Gesetze, Werte und Normen fehlt. Umso mehr wird nun verständlich, warum auf der Firmenwebseite des Sicherheitsunternehmens vom Ibiza-Detektiv diese Referenzen zu entnehmen waren: „Zu den Klienten gehören renommierte Unternehmen und Konzerne, sowie BKA, BMI und Regierungen innerhalb Europas.“
Der geplatzte 15.000 Euro Informanten-Deal
Das Dokument beschäftigt sich in erster Linie mit einem Scheinkauf von Heroin vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos im Mai 2019. “So kam es am 29.03.2019 zu einem angeordneten Scheinkauf im Bereich von Vösendorf.” Bei dem Tippgeber handelt es sich um den Beschuldigten S. K. aus dem Ibiza-Netzwerk, der seit einer Hausdurchsuchung im vergangenen Jahr sich in Untersuchungshaft befindet. Für diesen Fahndungserfolg hätte der Tippgeber 15.000 Euro vom Bundeskriminalamt erhalten sollen.
Doch ein Kripobeamter aus dem Bundeskriminalamt war skeptisch und intervenierte. Somit floss kein Geld an den Informanten: “Durch Chefinspektor S. wurde zu Beginn als Begründung für die Nichtausbezahlung angeführt, dass der eigentliche Informationsgeber zu der Tätergruppe im Verdacht stehen würde, von den eigentlich vereinbarten 60 Kilogramm Heroin, 40 Kilogramm selbst behalten und nur 19 Kilogramm hatte liefern lassen.” Doch dieser Vorwurf sollte sich “als völlig haltlos darstellen” ist dem Dokument zu entnehmen.
Bei dem Chefinspektor P. S. handelt es sich aber um jenen Kriminalbeamten, der sowohl den Ibiza-Detektiv, als auch den Tippgeber S. K. als Informanten führte. Der Chefinspektor ist aber auch schon “Fass ohne Boden”-Lesern seit der “Mezzo“-Berichterstattung bekannt. Dieser beantragte verdeckte Observationen 2012 in der “Operation Daviscup”.
Treffen des Salzburger Beamten mit S. K. am 21. Mai 2019
“Einige Tage, nachdem das erwähnte Video veröffentlicht wurde, es war der 21.05.2019, kam es zu einem erneuten Treffen zwischen mir und S. K. im Cafe Leiner wobei es aber vorrangig um die Nichtauszahlung der Belohnung für den umseitig angeführten Scheinkauf ging.” Und das Treffen hat es in sich:
“Im Laufe des Treffens wurde auch das veröffentlichte Video zum Gesprächsthema woraufhin ich S. K. fragte, woher er das denn alles gewusst hat. Daraufhin gab dieser an, dass halb Wien von dem Video weiß. Auf Nachfrage ob er das auch alles P., gemeint Cheflnsp P. S, erzählt hat, gab S. K. an, dass er diesem das alles schon im Jahr 2018 erzählte und dieser auch einen entsprechenden Bericht verfasst hatte. Weiters sei er sich sicher, dass anhand der von ihm an Cheflnsp P. S. herangetragenen
Informationen bereits Ermittlungen geführt würden, zumal der Ibiza-Detektiv auch ein ehemaliger Informant von Cheflnsp P. S. sei.”
Warum leitete das Bundeskriminalamt keine Ermittlungen ein?
So hält des Salzburger Kriminalbeamte abschließend in seiner schriftlichen Stellungnahme fest:
“Im Gegenteil stellt sich die Frage, warum nicht schon im Jahr 2018, als Herr K. die Informationen an Chefinsp P. S. und dieser in weiterer Folge an das .BK, Büro 5.3. weitergeleitet hat die entsprechenden Ermittlungen eingeleitet wurden?”
Fazit
Das Dokument ist nicht nur brisant, sondern stellt das Bundesministerium für Inneres in Frage. So wurde bis dato von der Exekutive bestritten, jegliche Kenntnis des Ibiza-Videos vor der Veröffentlichung gehabt zu haben.
Nach Sichtung der schriftlichen Stellungnahme des Drogenfahnders M. P. aus Salzburg wird zunehmend klar, dass die Amtsverschwiegenheit von Kriminalbeamten für das Netzwerk vom Ibiza-Detektiv J. H. keine Rolle gespielt hat. Ob Landeskriminalbeamte in Salzburg, Kripobeamte des Bundeskriminalamts oder Beamte des Finanzministeriums, sie kooperierten gerne mit dem Unternehmen und teilten ihren Informationsstand mit dem Ibiza-Detektiv. Diese Kooperation fand bereits 2012 und 2013 statt. “Dass der Ibiza-Detektiv weiterhin sehr gute Kontakte in das .BK (= Bundeskriminalamt) haben soll geht auch aus dem Amtsvermerk vom 14.06.2019 hervor.”
Darüber hinaus stellt sich die Frage, warum der Informant S. K. tatsächlich nicht die vereinbarte Prämie in der Höhe von 15.0000 Euro vom Bundeskriminalamt erhalten hat.
Beim kommenden Ibiza-Untersuchungsausschuss werden wohl noch mehr Kriminalbeamte die Möglichkeit bekommen, sich den Fragen der Abgeordneten zu verantworten (siehe auch Der ‚special smell’ der ‘Soko Ibiza’).
Bereits im Juli des vergangenen Jahres berichtete Fass ohne Boden exklusiv über die Kooperation der Ibiza-Hintermänner mit der Kriminalpolizei.