Vergangene Woche veröffentlichte das Investigativ-Team von “Die Welt” die brisante Publikation “Der Jäger wird jetzt selbst gejagt” (Alexej Hock, Uwe Müller, Ibrahim Naber und Annelie Naumann) zum aktuellen Ermittlungsstand der “Soko Tape” in der Causa Ibiza-Video. Die Enthüllung geht insbesondere auf “zwielichtige Figuren” ein, die “eine Falle stellten, um Millionen zu machen, und daraus ein Politikum wurde.” Nun recherchiert wiederum die “Süddeutsche Zeitung” (SZ) zu den österreichischen Ermittlungen gegen angebliche Hintermänner des Ibiza-Videos.” Doch die Fragen der Redakteure machen keinen schlanken Fuß.
Der SZ-Informant J. H.
Der Ibiza-Detektiv J. H., der auch unter dem Decknamen „Alexander Surkov“ bekannt ist, kratzt von Woche zu Woche mehr am guten Ruf der “Süddeutschen Zeitung”. Anlassberichte der Bundeskriminalpolizei, LKA-Einvernahmen, Anklageschriften, E-Mails an Rechtsanwälte und Observationsberichte dokumentieren ein verwerfliches Netzwerk. So darf man sich nicht wundern, dass mittlerweile 35 Ermittlungsverfahren laufen.
Die Veröffentlichung des Videos im Jahr 2019 beendete das politische Dasein von Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache (beide FPÖ). J. H. hat maßgeblich an dem Video mitgewirkt, welches im Juli 2017 in einer Finca auf Ibiza entstanden ist. Doch das Ibiza-Video ist nicht einmal die Spitze des Eisbergs.
Das Kokain im Ibiza-Netzwerk
Am 10. März 2020 flatterte eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien in die Zelle des Beschuldigten S. K. Dieser kennt J. H. “aus seiner Zeit bei einem Sicherheitsunternehmen”, gemeint ist die “Gruppe Sicherheit” von Sascha Wandl, “die nicht immer legal war”: S. K. hat in “zumindest drei Tranchen eine größere Menge Kokain” vom Ibiza-Detektiv J. H. bezogen. Sascha Wandl ist aber nicht nur jene Person, die J. H. als Lockvogel im Ibiza-Video erkannt hat, sondern auch ein wesentlicher Belastungszeuge, der zur Ibiza-Causa dreimal einvernommen wurde. Darüber hinaus gab es auch ein informelles Treffen von mehreren “Soko-Tape”-Ermittlern mit Sascha Wandl.
Nun konfrontierte die “Süddeutsche Zeitung” Sascha Wandl in einer schriftlichen Anfrage mit folgender Passage: “Wir haben die Personen kontaktiert, denen J. H. Ihnen zufolge zwischen 2013 und 2015 Kokain verkauft hat, sowie einen angeblichen Augenzeuge einer Drogen-Übergabe. Alle vier bestreiten Ihre Aussage vehement: Die drei angeblichen Drogenabnehmer erklären, sie hätten noch nie in ihrem Leben Drogen von J. H. gekauft, und der angebliche Augenzeuge erklärt, er sei keineswegs Zeuge einer Drogenübergabe gewesen. Zwei der angeblichen Abnehmer bestehen sogar darauf, dass sie J. H. vor 2015 nicht einmal gekannt hätten, und die beiden, denen er laut Ihnen, Herr Wandl, Drogen in seiner Wohnung übergeben hat, beschwören, in dieser Wohnung noch nie gewesen zu sein.”
“Mutter, der Mann mit dem Koks ist da”
Eine wesentliche Eigenheit von Beschuldigten und Zeugen im Ibiza-Netzwerk ist ein kurzes Erinnerungsvermögen. Häufig müssen Dokumente mehrmals gelesen werden, da die widersprüchlichen Aussagen auf dem ersten Blick nicht auffallen. Eine weitere Eigenheit ist die hohe Affinität zu Kokain: “Zieh’s dir rein”.
Bei der Vernehmung am 5. März 2020 durch die “Soko-Tape” gab S. K. – in Widerspruch zu seinen bisherigen Angaben – an, “zwischen 2014 und 2018 sogar drei Gramm Kokain täglich konsumiert zu haben.”
Bei der Hausdurchsuchung vom 20. August 2019 beim Wiener Rechtsanwalt, der wesentlich in der Ibiza-Affäre involviert ist, fand die Soko-Ibiza zwei “Plastiksäckchen mit weißem Pulver (augenscheinlich Kokain)”. Die genaueren Details zu den Umständen enthüllt FoB am Freitag, dem 15.Mai 2020.
Eine knapp zehnjährige Seilschaft des Ibiza-Netzwerks
Darüber hinaus geht aus der Jahresbilanz der “Gruppe Sicherheit” hervor, dass mehrere Protagonisten bereits 2011 im Unternehmen von Sascha Wandl verankert waren: Angefangen vom Ibiza-Detektiv J. H, seinem vermutlichen Kokain-Abnehmer S. K., die in den USA sich aufhaltende Ex-Freundin V. R. von J. H, sowie den aus der Untersuchungshaft entlassenen Kollegen E. S. von S. K.
Opfer belastet mehrere Ibiza-Protagonisten und Umfeld
Besondere Sprengkraft hat in diesem Zusammenhang die Einvernahme einer Frau vom 25. Oktober 2019: Diese war die Ex-Freundin von P. S., der laut ihrer Einvernahme der beste Freund vom Ibiza-Rechtsanwalt ist.
J. H. und P. S. sind aber nicht nur Freunde. 2018 beauftragte P. S. den Ibiza-Detektiv J. H. ein Video aufzunehmen. “Bei dem Geschilderten hier zugrunde liegenden Sachverhalt, zeigt sich derselbe modus operandi wie jener, welcher bei der Causa “Ibiza Video” vorliegt.” Ein Transkript des Videos sollte die Frau in eine ungünstige Situation bei einem Sorgerechtsstreit um das gemeinsame Kind bringen. Details hierzu veröffentlicht FoB am Freitag, dem 15. Mai 2020.
Zur Vollständigkeit sei an dieser Stelle nur erwähnt, dass P. S. das Opfer “beim Drogenkonsum gesehen” hat. “Er konsumiert Kokain.” Und dies äußerte auch Sascha Wandl in seiner Einvernahme. Doch im Gegensatz zu einer Vielzahl an befragten Protagonisten gab Wandl gegenüber der Soko-Tape den Konsum von Kokain zu. Darüber hinaus legte er bereits 2016 ein umfassendes Geständnis ab und belastete eine Vielzahl an Protagonisten, die wiederum in der Ibiza-Affäre auftauchen. Wandl wird sich in den kommenden Monaten vor Gericht verantworten müssen.
Erstaunlich ist aber auch die Tatsache, dass bei der Opferaussage K. genannt wird. Diese wiederum ist die Ex-Freundin vom Ibiza-Rechtsanwalt und arbeitet als TV-Lady. Das Kosmetikstudio sorgte 2017 für Schlagzeilen.
Fazit
“Andere Medien verbreiten auch Gerüchte, die nicht geprüft sind.” Diese Aussage vom “Ibiza-Aufdecker” der Süddeutschen Zeitung lässt in der Tat einen gewaltigen Interpretationsspielraum zu. Dieser Aussage lässt sich auch eine Redewendung aus dem Volksmund gegenüberstellen: “Nur der Hungrige denkt ans Essen.”
Eine Vielzahl an Protagonisten aus dem Ibiza-Netzwerk kennen sich bei weitem länger, als sie bei ihren Einvernahmen zugeben. Verständlich, schließlich soll der eigene Name nicht in einem der 35 Ermittlungsakte rund um das “Ibiza-Video” auftauchen.