Wie Fass ohne Boden bereits berichtete, beschäftigt sich sowohl die „Soko Ibiza“, als auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSTA) mit der „Schredder“-Causa aus dem Umfeld von Sebastian Kurz. Nun legt die Nationalratsabgeordnete und Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper (NEOS) weitere parlamentarische Anfragen nach. Die Causa wird nun auch zum Politikum.
Sternstunde des Parlaments: Anfragen von Krisper
Dank der „Schredder“-Causa ist die Ibiza-Affäre neu entflammt. Am Wochenende wurde durch eine Enthüllung vom Kurier bekannt, dass ein Mitarbeiter von Sebastian Kurz aus dem Bundeskanzleramt anonym Drucker-Server-Dateien vernichten ließ. Der Mitarbeiter bezahlte jedoch nicht die Rechnung des Unternehmens für die Dienstleistungen [Anm. d. Redaktion: Mittlerweile wurden die Außenstände beglichen]. Daher erstattete das Unternehmen Reisswolf eine Anzeige. Nachdem die Exekutive die Identität des Kunden anhand seiner Telefonnummer feststellen konnte, ließ es die Alarmglocken bei der “Soko Ibiza” läuten. Der Rest ist mittlerweile Geschichte.
Wer das System des Ex-Kanzlers kennt, weiß: hier passiert nichts ohne Planung und Sanktus von Sebastian Kurz.
Stephanie Krisper
Krisper möchte in ihrer parlamentarischen Anfrage (4016/J) wissen, seit wann und wie lange die Person, die die Daten geschreddert hat, für das Bundeskanzleramt tätig war. Für einige Mitarbeiter im Bundeskanzleramt könnte die parlamentarische Anfrage von Krisper noch ein Nachspiel haben, da die Abgeordnete nicht nur für mehr Transparenz sorgt: „Auf wessen Anordnung oder mit wessen Genehmigung wurde die Festplatte vernichtet?“
Die Frage ist in der Tat nicht unerheblich, da sich bereits der renommierte Verfassungsexperte Heinz Mayer sich in der „Schredder“-Causa zu Wort gemeldet hat. Dieser hält in einem Interview fest: „Wenn wichtige Daten auf der Festplatte gewesen sind, könnte es sich um Unterdrückung von Beweismitteln handeln.“ Mayer stellt des Weiteren in den Raum: „Man hätte die Festplatte ja auch löschen können.“
Krisper fühlt ÖVP und Sebastian Kurz auf den Zahn
„Wenn es sich, wie seitens der ÖVP kommuniziert, beim Schreddern der Festplatte um einen „üblichen Vorgang“ handelt, warum wurde die Festplatte dann nicht offiziell seitens des BKA einer Vernichtung zugeführt?“, liest man in der schriftlichen Anfrage von Krisper.
Hierzu muss man an dieser Stelle ein wenig ausholen: Das Schreddern von einem Datenträger sei ein “vollkommen normaler Vorgang”, so Sebastian Kurz in einer Reaktion am Montag nach der Kurier-Enthüllung. Daher müssen, so Kurz, “auch bei einem Regierungswechsel die notwendigen Vorkehrungen getroffen werden, dass Datensicherheit gewährleistet ist und Laptops zurückgegeben werden, Handys zurückgegeben werden, Druckerdaten gelöscht beziehungsweise vernichtet werden.“
Fragenkatalog mit Präzision
Der Fragenkatalog von der NEOS-Aufdeckerin geht aber noch viel weiter: „Wie lauten BKA-internen Regeln zur Vernichtung von Akten, Schriftstücken und digitalen Datenträgern?“
Darüber hinaus möchte die pinke Nationalratsabgeordnete wissen: „Wurden auf dem Drucker auch „private“ (im Sinne von „nicht behördliche“) Dokumente gedruckt?“
Diese Frage lässt auf jeden Fall viel Interpretationsspielraum zu. Womöglich ist hier ein Motiv für die Vernichtung des Datenträgers ableitbar.
Die zweite Anfrage von Krisper richtet sich an das Justizministerium (4017/J). Die Abgeordnete interessiert sich insbesondere für den genauen Strafbestand: „Wegen welcher Sachverhalte und Delikte genau (Angabe der Straftatbestände) wird gegen den damaligen Mitarbeiter des BKA ermittelt?“ Krisper formuliert sogar eine Frage, die mit der Parteienfinanzierung im Zusammenhang steht: „Haben die Strafverfolgungsbehörden Anhaltspunkte dafür, dass auf der Festplatte Daten mit Bezug auf illegale Parteienfinanzierungen gespeichert waren?“
Die BVT-Aufdeckerin Krisper gegenüber Fass ohne Boden: „Ich erhoffe mir, dass bei umfassender Beantwortung der Anfragen wir Bürgerinnen und Bürger mehr über die Umstände der „Ibiza“- und „Schredder“-Causa erfahren. Die Anfragen sollen auch sicherstellen, dass zu allen Strängen dieser Causen effizient ermittelt wird.“
Weitere parlamentarischen Anfragen
Immer mehr Nationalratsabgeordnete nehmen ihr politisches Kontrollrecht gegenüber der Regierung außerhalb der Untersuchungsausschüsse wahr. Hervorheben muss man an dieser Stelle nicht nur die NEOS, sondern auch die FPÖ.
In der Anfrage „Ermittlungen in der BVT-Affäre“ von Susanne Fürst (FPÖ) geht die Abgeordnete unter anderem der Frage nach, gegen wie viele Bedienstete des BVT bzw. BMI im Rahmen der sogenannten BVT-Affäre seit Oktober 2017 Ermittlungsverfahren stattfinden. Hans-Jörg Jenewein (FPÖ) bringt eine weitere Anfrage über die Fass ohne Boden Enthüllung „Ibiza-Netzwerk und das Projekt „Mezzo“ ein, jedoch richtet sich dieses Mal die Anfrage an das Finanzministerium. Spannend dürfte die Beantwortung dieser Frage werden: „Wie viele Sicherheitsfirmen, Detekteien oder sonstige Firmen sind im BMF bzw. bei der Finanzpolizei behördlich registrierte Informanten?“
Justizminister antwortet in der Causa „Ibiza-Video“
Zwar kaum Neuigkeiten, dafür mit ein paar neuen Details lässt das Justizministerium in der Causa „Ibiza“ aufhorchen. So liest man in der Beantwortung von Justizminister Clemens Jabloner (die Anfrage wurde ebenfalls von Stephanie Krisper eingebracht), dass derzeit im Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“ zwei Ermittlungsverfahren anhängig sind. In der einen Causa ermittelt die Korruptions- und Staatsanwaltschaft (WKSTA), in der anderen die Staatsanwaltschaft Wien.
Die WKStA führt Ermittlungen im Zusammenhang mit den getätigten Äußerungen von Politikern durch. Konkret sind gemeint die Aussagen von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Nach der erforderlichen eingehenden Prüfung und Konkretisierung der Verdachtslage wurden seitens der WKStA am 29.05.2019 erste Ermittlungshandlungen gesetzt.
Die Staatsanwaltschaft Wien prüft hingegen die im Zusammenhang mit der Anfertigung und Veröffentlichung des Videomaterials erhobenen Vorwürfe. Dieses Ermittlungsverfahren wurde über entsprechendes Ersuchen des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien am 20. Mai 2019 eingeleitet, wobei am 24. Mai 2019 eine Sachverhaltsdarstellung einlangte, in der weitere Verdachtsmomente gegen die Urheber des Videos zur Anzeige gebracht wurden.
Exkurs: Parlamentarische Anfragen (Interpellations- oder
Fragerecht)
Der Nationalrat, aber auch der Bundesrat, haben das Recht, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Schriftliche Anfragen können von fünf Abgeordneten oder drei Bundesräten an die Bundesregierung oder eines ihrer Mitglieder gerichtet werden. Sie müssen innerhalb von zwei Monaten beantwortet werden. Die Beantwortung erfolgt in der Regel schriftlich, das befragte Regierungsmitglied kann aber auch mündlich antworten.
Grundsätzlich sind die Befragten zur wahrheitsgemäßen Beantwortung verpflichtet. Ist die Erteilung der gewünschten Auskunft nicht möglich, dann ist dies in der Beantwortung zu begründen.
Quellen
Parlamentarische Anfrage „Schredder-Gate“ im BKA von Stephanie Krisper an das Bundeskanzleramt:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_04016/imfname_762596.pdf
Parlamentarische Anfrage „“Schredder-Gate“ im BKA und Verbindungen zur Ibiza-Affäre“
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_04017/imfname_762599.pdf
Parlamentarische Anfrage von Stephanie Krisper an das Justizministerium:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_03602/index.shtml
Beantwortung durch Justizminister Dr. Clemens Jabloner:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_03606/imfname_762473.pdf
NEOS bezweifeln „Alleingang“ eines unerfahrenen Mitarbeiters bei Schredder-Gate: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190721_OTS0012/neos-bezweifeln-alleingang-eines-unerfahrenen-mitarbeiters-bei-schredder-gate