Unter großem Medieninteresse hat am Mittwoch am Landesgericht St. Pölten der Drogenprozess gegen den mutmaßlichen Drahtzieher des Ibiza-Videos, J. H. , begonnen. Der 40-Jährige soll mehr als ein Kilo Kokain weitergegeben haben, belastet wird er von Zeugen. Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig und bestritt die Vorwürfe. Bei einem Schuldspruch drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Staatsanwalt Bernd Schneider hielt zu Verhandlungsbeginn mit Blick auf das Ibiza-Video fest: „In diesem Prozess hier geht es nicht um dieses Video, es geht um gänzlich andere Vorwürfe.“ Die insgesamt 1,25 Kilo Kokain mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 70 Prozent sollen 2017 und 2018 nahe der niederösterreichischen Stadt Haag (Bezirk Amstetten), in Salzburg und Oberösterreich zu einem Grammpreis von 40 Euro übergeben worden sein. Damit soll H. laut Anklage der Staatsanwaltschaft Wien Schulden beglichen bzw. seine triste finanzielle Situation aufgebessert haben. Der Beschuldigte meinte, es habe damals keinen Anlass für ein Darlehen gegeben – zudem habe er die Möglichkeit gehabt, Geld aus seinem familiären Umfeld zu bekommen.
Der Privatdetektiv soll das Kokain an einen suchtgiftabhängigen Bekannten und Arbeitskollegen weitergegeben haben. Dieser soll die Drogen teilweise gemeinsam mit seiner Geliebten für den Eigenbedarf verwendet haben, ein Teil soll gestreckt und weiterverkauft worden sein. Beide wurden laut Anklagebehörde vor rund einem Jahr wegen Suchtgiftdelikten verurteilt. Die Frau habe eine „Lebensbeichte“ abgelegt, nachdem bei ihr 133 Gramm Kokain in einem Staubsaugerbeutel gefunden worden waren, sagte der Staatsanwalt. Der Mann habe erst nach seiner Hauptverhandlung zu Übergaben durch den 40-Jährigen ausgesagt, weil seine Mutter zwei Wochen vor seinem Prozess bedroht worden und er verängstigt gewesen sei.
Man sei „nicht imstande gewesen, eine unabhängige Soko mit unabhängigen Polizisten einzurichten“, erklärte der Rechtsanwalt, der von einem „einseitigen Verfahren“ sprach. Zu den Aussagen in elf Einvernahmen der Frau, die seinen Mandanten belaste, meinte Auer: „Da stimmt von vorne bis hinten nichts. Da geht es offensichtlich schon darum, Fakten zu schaffen, damit man den Angeklagten belasten kann.“ Die Angaben der Frau und des Mannes würden nicht übereinstimmen. Ein Zeuge habe gesagt, er sei unter Druck gesetzt worden, um den 40-Jährigen zu belasten. „Es geht letztlich nur darum: Den Angeklagten zu bestrafen, dass er das Ibiza-Video gemacht hat“, sagte Auer, der H. gemeinsam mit Oliver Scherbaum vertritt.
Verteidiger Scherbaum sprach in seinem Eröffnungsvortrag davon, dass die Vorwürfe gegen seinen Mandanten „konstruiert sind, und das auch noch schlecht“. Die Ermittlungen seien mit falschen Angaben befeuert worden. „Dagegen ist jede Netflix-Serie eine Sendung mit der Maus“. Der 40-Jährige sei „aus Rache hineingelegt“ worden. Es gehe daher sehr wohl um das Ibiza-Video. Nach diesem Verfahren werde man wissen, ob es in Österreich möglich sei, dass ein Aufdecker von Korruption mit falschen Anschuldigungen aus dem Verkehr gezogen werde, sagte Scherbaum.
Der Angeklagte äußerte in seiner Befragung die Vermutung, dass sein vermeintlicher Kokain-Abnehmer für falsche Vorwürfe gegen ihn Geld bzw. nach der Verurteilung wegen Drogendelikten eine Fußfessel erhalten habe. Die Frau, die ihn des Suchtmittelhandels beschuldigt, sei seiner Ansicht nach nicht glaubwürdig.
Weiters erklärte der Angeklagte mit Blick auf die Aufnahmen, die Ex-FPÖ-Obmann und -Vizekanzler Heinz-Christian Strache sowie Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus mit einer vermeintlichen Oligarchennichte zeigen: „Das Ziel der Veröffentlichung des Ibiza-Videos war die Zusammenführung der Vorwürfe, die das Ibiza-Video ergibt, mit den Vorwürfen des Bodyguards Straches.“
Neben Suchtgifthandel wird dem 40-Jährigen Fälschung besonders geschützter Urkunden sowie Annahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden vorgeworfen. Er soll einen gefälschten slowenischen Führerschein und Personalausweis, die auf den Namen einer rumänischen Bekannten lauteten, besessen und übergeben sowie bei einer Polizeikontrolle am 7. Mai 2019 in Wien eine gefälschte slowenische Lenkberechtigung vorgewiesen haben. Einen Bluttest verweigerte er.
Die gefälschten Dokumente „waren in meinem Besitz“, räumte der Angeklagte ein. Zum Hintergrund erklärte er, dass eine Rumänin im Zuge eines Projekts seiner Sicherheitsfirma eingeschleust werden sollte. „Ich habe das nicht mit ihr abgesprochen, das war ein kurzfristiger Einfall“, meinte H. dazu, dass er die Urkunden in Auftrag gegeben habe. „Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass diese Dokumente falsch sind“, sagte der Angeklagte und verwies auf die Ausführungen seiner Verteidiger. Bei den Urkundendelikten sei jeweils „keine Strafbarkeit gegeben“, verwies Rechtsanwalt Auer u.a. auf das Verbot der Doppelbestrafung.
Die Zeugin, die H. bezüglich der Drogendelikte belastet, sollte auf ihren Wunsch hin in Abwesenheit des Angeklagten befragt werden. Die Frau war am 19. November 2019 festgenommen worden, zudem fand eine Hausdurchsuchung statt. „Ich habe einfach nur Angst, dass mir etwas passiert“, sagte sie unter Schluchzen. Die Einvernahme wurde schließlich nach kurzer Zeit aufgrund ihres psychischen Zustandes abgebrochen. Die Zeugin soll bei einem weiteren Verhandlungstermin mithilfe eines Dolmetschers befragt werden. Der Prozess wurde mit der Einvernahme eines männlichen Zeugen, der den Angeklagten belastet, fortgesetzt.