„Ich habe diese Funktion mit großer Freude begonnen“ eröffnete der Minister seine „Persönliche Erklärung“. Anschober wirkte bei seinem Pressestatement entspannt und gelassen. „Quelle der Energie“ ist Anschober verloren gegangen. Nach einer längeren Replik gab schlussendlich Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) heute bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz seinen Rücktritt bekannt. „Ich habe alles gegeben. Praktisch vierzehn Monate durchgearbeitet. Ich habe mich überarbeitet.“
Anschober: „In Zeiten der Pandemie braucht es einen Gesundheitsminister, der zu 100 Prozent fit ist. Das bin ich derzeit nicht.“ Daher hat er beschlossen, mit kommenden Montag seine Funktion „niederzulegen.“
Gesundheitsminister Anschober ist schwer angeschlagen
Der dritte gesundheitliche Ausfall des grünen Gesundheitsministers Rudolf Anschober (60) war am Ende seiner politischen Laufbahn auch für ihn zu viel. Dass die Lage ernst war, munkelte man hinter vorgehaltener Hand. „15 Monate, die mir eher vorkommen wie 15 Jahre – bei dem, was wir alles erlebt haben“, äußerte sich Anschober über den Arbeitsdruck in seinem Ministerium.
Seit über einer Woche war Anschober aus gesundheitlichen Gründen entschuldigt. Vizekanzler Werner Kogler erklärte auf oe24.TV, dass Anschober „Kreislaufprobleme“ habe. „Er hat nochmals eine Untersuchung im Krankenhaus gemacht. Er hatte Kreislaufprobleme – mehr will ich aber nicht dazu sagen“, sagte der Grünen-Chef. Laut Ministerprotokoll war Anschober „bis auf Weiteres entschuldigt“. In ÖVP-Kreisen wurde in den vergangenen Tagen bereits kräftig über eine Ablöse spekuliert.
Steht der Rücktritt im Zusammenhang mit seiner Befragung?
Am Montag ließ sich der Gesundheitsminister jedenfalls noch einmal im Parlament entschuldigen. Da hätte er eigentlich vor dem kleinen Untersuchungsausschuss zu den Beschaffungsprozessen rund um Corona-Impfstoffe aussagen sollen. Das Timing seines Rücktritts lässt zumindest die Vermutung zu. Offiziell wird dies aber negiert.
Woran scheiterte Anschober?
Während der Pressekonferenz stellte Anschober die „mittelbare Bundesverwaltung“ in Frage. Sein Ansatz wäre ein Konsens. Mit anderen Worten, der Gesundheitsminister ist immer wieder an den Landeshauptleuten gescheitert. Anschober: „Erfolgreich waren wir, wenn wir Einigkeit hatten und zusammen gehalten hatten. Bei der ersten Welle ging es sehr gut. Bei der zweiten Welle gab es schon erste Spaltungen, Aggressivität legte zu. Ich bemerkte das an den Morddrohungen.“
Unglaubwürdige Krisenkommunikation
Nach erheblichem medialem Druck gab die Presseabteilung von Anschober kleinlaut zu, dass der krankgemeldete Gesundheitsminister Anschober (Grüne) “kommende Woche wieder im Dienst sein” wird. Gemeint wäre diese Woche. Aber die Pechsträhne von Anschober wollte schon im Vorfeld nicht abreißen.
Erst Mitte März musste der Minister bei der Beschaffung von Impfstoffen Ungereimtheiten zugeben. Der Impf-Sonderbeauftragte im Gesundheitsministerium, Clemens Martin Auer, wurde als Vertreter im EU-Impfgremium angezogen. Dies erfolgte auf Zuruf von Kanzler Kurz (FoB berichtete).
House of Kurz zerbröselt: Dritter Rücktritt der türkis-grünen Regierung
Im Mai vergangenen Jahres räumte die grüne Staatssekretärin Ulrike Lunacek ihren Sessel. Im Vorfeld musste sie viel Kritik einstecken. In diesem Jahr folgte die Familien- und Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP). Diese ist nach einer Plagiats-Affäre zurückgetreten. Aschbacher war nach Grünen-Staatssekretärin Lunacek das zweite Mitglied der türkis-grünen Regierung und die erste Ministerin, die sich vorzeitig aus der Regierung verabschiedet hat. Und der dritte im Bunde ist nun Rudolf Anschober.
Reaktionen aus der Politik
FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer: „Ich habe den Minister aufgrund erheblicher Fehlentscheidungen mehrfach zum Rücktritt aufgefordert. Er war in seiner Funktion nicht die richtige Besetzung für ein Ministerium, das in der Pandemie die Hauptverantwortung trägt. Die heutige Rücktritts-Pressekonferenz nützte Anschober für eine Aufzählung jener Themenbereiche, in denen er nichts weitergebracht hat – wie zum Beispiel in der Pflege, wo es über ein Jahr nur Überschriften gab.“
„Ich wünsche Rudi Anschober alles Gute für seine berufliche Zukunft, vor allem aber für seine Gesundheit!“ so NEOS Wien Gesundheitssprecher Stefan Gara nach dem Rücktritt des Gesundheitsministers.
„Ich wünsche Rudolf Anschober auch im Namen des Freiheitlichen Parlamentsklubs persönlich alles Gute sowie eine vollständige und rasche Genesung. Auch wenn wir politisch die Dinge völlig anders sehen, so bedanken wir uns auch für die korrekte Zusammenarbeit, denn zumindest war Rudolf Anschober immer bereit, mit den Parlamentariern zu kommunizieren“, sagte heute FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl in Zusammenhang mit dem Rücktritt Anschobers.
Nach dem heutigen Rücktritt von Gesundheitsminister Anschober wünscht ihm NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger alles Gute: „Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung von Rudolf Anschober und wünsche ihm persönlich alles Gute! Diese Entscheidung ist auch eine Mahnung für Achtsamkeit gegenüber einem selbst aber auch einander gegenüber.“
„Auch wenn wir nicht immer einer Meinung gewesen sind, die Zusammenarbeit mit Rudi Anschober war stets geprägt von Respekt, Gedankenaustausch auf Augenhöhe und dem gemeinsamen Willen, faire Lösungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu gestalten“, kommentiert ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian den Rückzug des Gesundheitsministers.
„Das Amt des Gesundheitsministers inmitten einer Pandemie ist wohl eine der herausforderndsten und schwierigsten Aufgaben überhaupt. Rudolf Anschober hat diese Herausforderung angenommen und seine Aufgaben mit großem persönlichen Einsatz und Verantwortungsgefühl bewältigt“, sagt Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zum heute bekannt gegebenen Rücktritt von Gesundheitsminister Rudolf Anschober.
„Rudi Anschober hat in den letzten 15 Monaten mit großer Leidenschaft besonnen und empathisch durch die Krise geführt. Für seinen unermüdlichen Einsatz gebührt ihm unser großer Dank“, sagt Sigi Maurer, Klubofrau der Grünen anlässlich des Rücktritts des Gesundheits- und Sozialministers.
Über Rudolf Anschober
Rudolf Anschober war seit 29. Jänner 2020 Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. 1990 zog Anschober für die Grünen in den Nationalrat ein. 2003 wurde dieser Landesrat.
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