Wie bereits „Kronen Zeitung“ und „Fass ohne Boden“ berichteten, empfing der oberste Beamte für Strafsachen des Justizministeriums, Christian Pilnacek, zwei Casinos-Aufsichtsräte in seinem Büro. Bei den Personen handelt es sich um Walter Rothensteiner und Josef Pröll, die als Beschuldigte in der Postenschacher-Affäre geführt werden. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.
Justizministerin Alma Zadic reagierte prompt und erließ eine Weisung. Das Treffen sei “nicht in Ordnung gewesen“. “Jeder Anschein einer bevorzugten Behandlung muss vermieden werden“, so die Ministerin. Für die einen sei diese Entscheidung nicht nachvollziehbar, sprich die „Ministerin“ sei unerfahren, so ein Kenner des Justizministeriums, der anonym bleiben möchte. Vertreter der Opposition hingegen möchten einen politischen Skandal erkennen.
Der Sektionschef (= SC) des Justizministeriums rechtfertigte seinen Empfang der Prominenten wie folgt: “Ja, es ist richtig, ich habe die beiden getroffen, weil ich den Termin aus Höflichkeit nicht verweigerte.“ Auf die Formulierung der „Höflichkeit“ werden wir noch näher eingehen.
NEOS-Aufdeckerin Stefanie Krisper kommentierte die Umstände auf Twitter: „Das passiert, wenn jemand zu lange zu viel Macht hat: er spürt sich nicht mehr.“ Die Abgeordnete brachte darüber hinaus eine parlamentarische Anfrage ein. Und tatsächlich, die Anfrage hat es in sich: 46 Fragen soll das Justizministerium nun beantworten.
Parlamentarische Anfrage von Stefanie Krisper (NEOS)
Der parlamentarischen Anfrage ist aber auch ein Fundus für Journalisten. Zu entnehmen sei der Anfrage, dass der Sektionschef der ÖVP „nahe stehend“ sei. Kein Wunder, Christian Pilnacek war unter Türkis-Blau der Generalsekretär des Justizministeriums. Aber auch eine Nähe zu Raiffeisen ist der Anfrage zu entnehmen. „So soll z.B. SC Pilnacek erst vor kurzem der traditionellen Einladung von Raiffeisen zum Sauschädelessen gefolgt sein – dies obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits ein Verfahren gegen mehrere hochrangige Raiffaisenmanager anhängig war.“ (714/J, parlament.gv.at)
Aber auch die Form der Beschwerde wird in der Anfrage thematisiert: „Beschwerden über die bei den Beschuldigten durchgeführten Hausdurchsuchungen verwundert besonders, weil die Beschuldigten von der Beschreitung des offiziellen Rechtsweges – ihnen wäre es frei gestanden Beschwerde an das Oberlandesgericht zu erheben – abgesehen haben.“ (714/J, parlament.gv.at) In spätestens acht Wochen sollten die Antworten der Justizministerin folgen.
„Höflichkeit“ und „Unhöflichkeit“ a la Pilnacek?
Den Sektionschef kann man in der Tat als sehr höflichen Beamten wahrnehmen. Schließlich gewährt Pilnacek dem ehemaligen ÖVP-Parteichef Pröll ein Privatissimum in seinem Büro. Aber auch der Einladung zum „Sauschädelessen“ kommt der Sektionschef laut Anfrage gerne nach. Schon in der Vergangenheit gab es die eine oder andere „Höflichkeit“, oder besser gesagt „Unhöflichkeit“, wenn man die Unterlagen zum BVT-Untersuchungsausschuss genauer sichtet.
2018 veröffentlichte Addendum ein besonderes Foto. Das Bild entstand bei einem Treffen am 21. November 2017 im Wiener Szenelokal „Zum Schwarzen Kameel“. Nun erlangte das Foto auch die Fass ohne Boden Redaktion.
Das Foto im BVT-Untersuchungsausschuss
Auf dem Schnappschuss ist nicht nur Pilnacek zu erkennen, sondern auch der ehemalige Kabinettschef des Innenministeriums, Michael Kloibmüller. Darüber hinaus kann man den „ehemaligen Stellvertreter im BVT W. Z.“ erkennen. (114/KOMM, parlament.gv.at) Laut Untersuchungsausschuss waren zwei oder drei weitere Personen am Tisch anwesend, die auf dem Foto nicht abgelichtet wurden.
Zwei davon konnte Fass ohne Boden mittlerweile identifizieren, muss aber aus medienrechtlichen Gründen von den Klarnamen absehen. Einerseits handelt es sich um eine weibliche Begleitperson des BVT-Beamten. Andererseits um eine aufstrebende Politikerin der ÖVP, welche eine beeindruckende Karriere hingelegt hat und mittlerweile das Amt einer Ministerin bekleidet.
Auf die Frage, warum Pilnacek überhaupt an dem Tisch Platz genommen hat, antwortete der Sektionschef im BVT-Untersuchungsausschuss: „ich besuche dieses Lokal häufig, bin an diesem Abend in das Lokal gekommen und habe gesehen, dass da Leute sitzen, die mich kennen, die mich begrüßen, die mir auch sagen: Setz dich doch zu uns! – Ich hätte es als grobe Unhöflichkeit empfunden, das nicht zu tun.“ (114/KOMM, parlament.gv.at)
Die kommenden Wochen dürften spannend werden, nicht nur im Hinblick auf die eine oder andere „Höflichkeit“ und „Unhöflichkeit“ im Kontext des Sektionschefs. Aus aktuellen FoB-Recherchen können weitere Bekanntschaften und Synergien im BVT-Umfeld recherchiert werden, die im Hinblick auf den kommenden Untersuchungsausschuss an Relevanz gewinnen könnten. Erstaunlich ist vor allem aber die Nähe von einer Vielzahl an Protagonisten, die aber jede Form eines „Netzwerks“ abstreiten. Wie so oft in Österreich, handelt es sich mal wieder um „Zufälle“.
Ausblick: Weitere BVT-Recherchen für 2020
- Die Maulwurfsjagd nach den Hintermännern des Leaks in der Causa „Berner-Club“-Dokuments werden wir im heurigen Jahr thematisieren. Das Dokument mit dem Titel „Security assessment of BVT“ wurde von MI5, BfV, FIS und VSD verfasst. Das Dokument legte offen, in welch desolaten Zustand sich das österreichische BVT überhaupt befindet.
- Die Rolle und der Einfluss einer internationalen Nachrichtenhändlerin, gemeint die deutsche Privatagentin C. W., und ihre Bekanntschaften zu einzelnen Beamten im BVT. Die Aufarbeitung beschäftigt nach wie vor die Staatsanwaltschaft.
- “Mantel des Schweigens” in einer besonderen „Causa“, mit Schnittstellen zum BVT, zur Justiz und zu den österreichischen Nachrichtendiensten. Konkret geht es um eine Geiselnahme in Libyen aus den Jahr 2015 und die dazugehörige Lösegeldbezahlung Anfang 2016 für einen österreichischen Unteroffizier. Ein ehemaliger Agent wurde damals gebeten „einen kameradschaftlichen Dienst“ für einen österreichischen Generalstabsoffizier zu leisten, da die österreichischen Nachrichtendienste keine Möglichkeiten gesehen haben, pro aktiv einzuschreiten. Der Offizier hat den Agenten gebeten, alte Kontakte in Libyen zu reaktivieren. So liegt der Redaktion ein Chat und Wortprotokoll vor, welches zwischen dem ehemaligen Agenten und dem Generalstabsoffiziers stattgefunden hat (gekürzt): „Das österreichische Außenministerium, hat dem militärischen Auslandsgeheimdienst, Heeres-Nachrichtenamt (= HNaA), welcher in solchen Anlässen zuständig ist, angeordnet nichts zu unternehmen und den karenzierten Unteroffizier in Libyen „verrotten“ zu lassen. Dem HNaA seien „offiziell“ die Hände gebunden.“ Obendrein wurden laut Quelle der Agent indirekten Formulierungen aus dem Umfeld eines Ministers ausgesetzt, um die Absichten des Agenten zu unterbinden und den „kameradschaftlichen Gefallen nicht zu erfüllen“.
Das BVT schaltete sich ein und Personen, welche nicht für das BVT gearbeitet haben, hätten auf einmal für den österreichischen Dienst gearbeitet. Darüber hinaus dürften mehrere 100.000 Euro bei der Übergabe des Lösegeldes abhanden gekommen sein. Die Umstände werden als „schwer dubios“ bezeichnet. Kein Wunder, zum aktuellen Recherchestand beträgt die Differenz 500.000 Euro. Daher die berechtigen Fragen: Was genau passierte mit dem Geld und welche Summen wurden tatsächlich ausbezahlt? Warum und auf wessen Weisung wurden die Ermittlungen zu diesem Fall eingestellt?
Fass ohne Boden bleibt dran.
Quellen:
Parlamentarische Anfrage „Nichtdokumentierte Treffen mit Verfahrensbeteiligten in der Casag Affäre durch Sektionschef Pilnacek“: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_00714/imfname_780505.pdf
Protokolls der öffentlichen Befragung von Mag. Christian Pilnacek, (114/KOMM): https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/KOMM/KOMM_00114/fname_741014.pdf
BVT: Wenn zwei sich streiten und drei sich treffen: https://www.addendum.org/news/bmi-bvt/