Transparenz – quo vadis?
„Ungerechtfertigte Vergaben“ (SPÖ), „Verdachtsmomente“ (Grüne) und „Verschleierung von Ungereimtheiten“ (NEOS) – die Causa aws und Hammerschmid wird zu einem „Fass ohne Boden“. Der Redaktion liegt die aktuelle Beantwortung der zweiten parlamentarischen Beantwortung des Wirtschaftsministeriums (BMWFW) vor. Zusammenfassung: Die Beantwortungen sind weiterhin widersprüchlich.
Die Enthüllungen der Kronen Zeitung (Richard Schmitt) und die Berichte „AWS-Tätigkeitsbericht belastet SPÖ-Ministerin Sonja Hammerschmid“ und „System Hammerschmid: Gefördert wird, wer zur Familie gehört“ von Fass ohne Boden haben zu zwei parlamentarischen Anfragen geführt. Diese wurden wiederum mittlerweile beantwortet. Besser gesagt, sie lesen sich sehr abenteuerlich.
Das Wirtschaftsministerium, in der Hand von Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP), stützt sich in der neuesten Beantwortung der parlamentarischen Anfrage der NEOS (Sepp Schellhorn) auf einen neuen internen Revisionsbericht, der die Nummer 07/2017-S „Sonderprüfung zur parlamentarischen Anfrage Nr. 1097/J vom 02.03.2017“ vom 3. April 2017 trägt. Dieser Prüfbericht liegt jedoch der Redaktion nicht vor.
Interne Revision doch nicht für Konkurse zuständig
Konkret antwortete Mitterlehner im Jahr 2009 (GZ 4901/AB XXIII. GP) mit dem Hinweis, dass sämtliche Konkursfälle bei der Förderbank der Republik Österreich, die aws (= austria wirtschaftsservice), einer internen Revision unterzogen werden. Im Wortlaut: „Die AWS hat die in der Anfrage angeführten Unternehmen insofern überprüft, als die interne Revision bei Insolvenzfällen automatisch involviert ist.“ Im neuen Bericht des AWS steht jedoch: „Die interne Revision ist in diesem Prozess inhaltlich nicht involviert.“ Hintergrundinformation: Orphanetics war ein Unternehmen, dass nach dem Erhalt von Fördergeldern in Konkurs gegangen war.
Mehr als 500.000 EUR Schaden – Verantwortung bei Hammerschmid
Der Ausfall aufgrund des Konkurses der Firma ‚Orphanetics‘ wird im Bericht der Internen Revision Nr. 07/2017 mit insgesamt € 555.897,61 – davon DEQ: € 104.006,11 bzw. SEED: 451.891,50 – angegeben.
Darüber hinaus widmet sich die parlamentarische Beantwortung dem Verantwortungsbereich und der Verantwortlichen: „Nach Meinung der IRF trägt die Führungskraft die finale Verantwortung für die der Entscheidung zu Grunde liegenden Informationen und für die Entscheidung selbst, unter Zugrundelegung der jeweils eingeräumten Pouvoirs und unter Berücksichtigung des Vieraugenprinzips, d.h. im Falle von Orphanetics, Frau Dr. Hammerschmid.“
Sepp Schellhorn hegt Zweifel
Verfasser der parlamentarischen Anfrage, der Unternehmer Sepp Schellhorn, zeigt sich mehr als verwundert:
„Es erscheint schon merkwürdig, dass der neu vorliegende Bericht genau jene Passagen des ursprünglichen Berichts uminterpretiert, welche die Mitschuld von Fr. Hammerschmid betreffen.“ (Schellhorn)
Darüber stellt Schellhorn kritisch fest: „Die Anfragenbeantwortung zeigt, dass das AWS völlig intransparent vorgeht und entweder die zuständigen Bundesminister gewähren ließen oder fernab ihres Wissens agiert wird.“
Fachmann wird als Frischling dargestellt
Ein AWS-Insider ist über die parlamentarische Beantwortung mehr als nur erstaunt: „Blödsinn. Das ist grundsätzlich ein Blödsinn.“ Der Experte erörtert, dass die betroffenen Personen seit 2002 in der Stammbesetzung waren. Daher hätte man nicht jemanden „zur Schulungsmaßnahme“ beiziehen können. Der Experte holt zum Rundumschlag aus: „Von der Unternehmensstruktur bittet man keine Nachbarabteilung um Hilfe, sondern man lässt sich dies anweisen. Es war damals eine Bank und in einer Bank darf nur der zuständige Mitarbeiter prüfen. Man brauchte sozusagen eine Dienstzuteilung. Man kann nicht sagen: ‚Geh bitte, schreib mir kurz den Absatz.‘ Und wer die Betroffenen kennt, weiß, Hammerschmid hätte niemals den Mitarbeiter gebeten.“
Wirtschaftsministerium war von Anfang an im Bilde
Die erste Beantwortung der Anfrage „Verschleierung von Ungereimtheiten bei AWS Förderungen“ von Sepp Schellhorn, dürfte die Beamten des BMWFW in die Knie gezwungen haben. So hat man die Frage, ob der damalige „Sektionschef Dr. Losch über die Ungereimtheiten in Kenntnis gesetzt wurde?“ mit JA beantworten müssen. Das Wirtschaftsministerium beantwortet dies nüchtern: Der „zugegangene Bericht des Jobrotanten trägt den Eingangstempel 6. Dezember 2007“.
Mit anderen Worten, dass Ministerium und der damalige Sektionschef waren über den Sachverhalt des Konkurses der Orphanetics im Bilde. Die Beantwortungen des Ministeriums (Dr. Bartenstein – 49001/AB und Dr. Mitterlehner – 1266/AB) aus den Jahren 2008 und 2009 sind aus heutiger Sicht absolut kritisch zu hinterfragen.
Sinnhaftigkeit von parlamentarischen Anfragen
Trotz der Studie eines „Jobrotanten“ und der vehementen Kritik der Internen Revision aus dem Jahr 2007, hat es keine personellen Veränderungen gegeben, weder für die Abteilung im Seedfinancing-Bereich, noch für die damalige Abteilungsleiterin Dr. Hammerschmid.
Trotz investigativer Recherchearbeit der Kronen Zeitung & Fass ohne Boden und den Enthüllungen samt Originalbelegen, sowie den zweien parlamentarischen Anfragen der NEOS, entsteht das Bild, dass es keine Konsequenzen geben wird. Erinnert ein wenig an die Legende von Odysseus und Polyphem: „Es war Niemand.“
Die Causa Hammerschmid und aws wirft viele Fragen auf
- Warum ist nach jeder Aufdeckung von Fass ohne Boden der Verfasser einer Studie im Auftrag des Ministeriums plötzlich ein Praktikant geworden, sprich ein „Jobrotant“? Versucht man die Glaubwürdigkeit einer kritischen Person in Frage zu stellen?
- Warum wird ein Patentexperte, der einen Prüfbericht verfasst, der wirtschaftliche Expertise besitzt und kritisch ist, nach dem zweiten Revisionsbericht plötzlich mit einer „Schulungsmaßnahme“ in Verbindung gebracht? Versucht man erneut die Glaubwürdigkeit einer kritischen Person in Frage zu stellen?
- Wie kann es sein, dass ein Revisionsbericht aus dem Jahr 2007 durch neue Erkenntnisse, konkret eine E-Mail vom 16.06.2006, nun Ministerin Hammerschmid entlasten soll, damals aber nicht bekannt war? Gibt es noch mehr Material, welches plötzlich aufgetaucht ist? Ist dieses Material der Korruptionsstaatsanwaltschaft übermittelt worden?
- Wie konnte unter den damals bekannten Umständen, dass Dr. F. und Frau F. Ehepartner waren, keinen Interessenkonflikt darstellen? Wie konnte nach dem 4-Augen-Prinzip überhaupt Frau Hammerschmid als damalige Abteilungsleiterin eine Unterschrift für eine Förderung einer Mitarbeiterin für ihren Ehemann verantworten?
Fazit
Ein Paradebeispiel für Intransparenz und mangelnde Sorgfalt im Umgang mit Steuergeld.
Die Presseabteilung der Förderbank aws steht für weitere Auskünfte nicht zur Verfügung. Den neuen Revisionsbericht wolle man der Redaktion nicht zur Verfügung stellen. Ob das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung, sprich die Exekutive, nur einmal oder bereits zweimal im Haus gewesen sei, wolle man ebenfalls nicht kommentieren.
Dennoch bringen die zwei neuen parlamentarischen Beantwortungen durch die Anfragen der NEOS Licht in die Causa aws und Sonja Hammerschmid. Zum einen lässt sich feststellen, dass das BMWFW (11358/AB) die eigenen parlamentarischen Beantwortungen relativiert. Aus heutiger Sicht weiß man nun, dass das Wirtschaftsministerium und der damalige Sektionschef sehr wohl im Bilde waren. So hält auch der Abgeordnete Schellhorn fest: „Fast ein Jahrzehnt wurde der Bericht der internen Revision Geheimgehalten bis ihn „Fass ohne Boden“ zugespielt wurde. Jetzt gibt es einen neunen Bericht aus dem nur Auszugsweise zitiert wird. Bundesminister Mitterlehner sollte diesen veröffentlichen.“
Und genau um diesen geht es: 2017 wurde einfach ein neuer Bericht der Internen Revision verfasst, welcher versucht, die Dinge nachträglich in ein gutes Licht zu rücken. Dies kommt vor allem bei der Wortklauberei zur Geltung. Manche Antworten lesen sich, als ob gleich zwei oder mehrere Rechtsanwälte daran gearbeitet hätten.
Wem die Enthüllungen von Fass ohne Boden auf jeden Fall noch ein Dorn im Auge ist, hat die Redaktion in einem Hintergrundgespräch erfahren: Co-Geschäftsführer DI Bernhard Sagmeister, der sich zurzeit um eine weitere Bestellung als Geschäftsführer bei der aws bemüht. Aus den Kreisen des Staatssekretärs Dr. Harald Mahrer ist zu hören, dass der Wiederbestellung nichts im Wege stehen sollte.
Wie die parlamentarische Beantwortung nun zu interpretieren ist, darüber wird sich vor allem die Korruptionsstaatsanwaltschaft Gedanken machen müssen. Diese ermittelt zurzeit wegen des Verdachts der Untreue in der Causa Hammerschmid und aws.
Sie sind aws Mitarbeiter und über die Missstände erzürnt?
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