„Feind, Todfeind, Parteifreund“: Diese spöttische Redensart beschreibt die oft heuchlerischen und opportunistischen Beziehungen innerhalb einer Partei. Während Parteikollegen nach außen hin als „Freunde“ auftreten, können sie sich intern als gefährlichere Gegner erweisen als politische Konkurrenten. Die Wiener ÖVP steht am Abgrund eines solchen internen Machtkampfes.
Ein zerreißendes Duell hinter den Kulissen
Am Freitag, dem 21. Februar, wird die Landesliste für die Wien-Wahl am 27. April festgelegt, doch die Zeichen stehen auf offene Feindseligkeiten. Was als routinemäßiger Entscheidungsprozess erscheinen mag, entpuppt sich als brutales Ringen um Einfluss, Posten und politische Karrieren. Für manche Kandidaten endet kommende Woche die politische Laufbahn.
Listenerstellung: Ein politisches Meuchelmördertreffen
Die bevorstehende Landeslistenerstellung gleicht einem Hochrisiko-Poker um die Zukunft der Wiener ÖVP. Intrigen, Machtspiele und parteiinterne Machtverschiebungen bestimmen das Geschehen. Insbesondere die Anklage gegen Parteichef Karl Mahrer sorgt für eine explosive Stimmung. Kritiker sprechen bereits von einem „Meuchelmördertreffen“ hinter verschlossenen Türen, bei dem nur die Stärksten überleben werden.
Anklage gegen Mahrer: Die Bombe platzt
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat gegen Karl Mahrer Anklage wegen Verdachts der Untreue erhoben. Im Zentrum steht die Causa Wienwert: Zwischen 2017 und 2018 sollen monatlich 10.000 Euro von der mittlerweile insolventen Immobilienfirma Wienwert an die PR-Agentur von Mahrers Ehefrau geflossen sein – ohne nachweisbaren Gegenwert, so der Vorwurf. Mahrer bestreitet die Vorwürfe vehement, doch im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu drei Jahre Haft. Die Unschuldsvermutung gilt, doch politisch gesehen ist der Schaden bereits angerichtet. Das Timing der Veröffentlichung begünstigt einen internen Machtkampf.
Kammerpräsident Ruck: Ein Schattenmann auf dem Vormarsch?
Die Anklage gegen Mahrer hat die Reihen der Wiener ÖVP ins Wanken gebracht. Wirtschaftskammer-Präsident und Wirtschaftsbund Wien-Obmann Walter Ruck, ein Schwergewicht innerhalb der Wiener ÖVP, äußerte sich besorgt und macht keinen Hehl daraus, dass er Mahrers Position für gefährdet hält. „Ich denke, dass es eine sehr ernste Situation ist, die der Parteiobmann unterschätzt, wenn er glaubt, wir gehen zur Tagesordnung über,“ so Ruck gegenüber „Die Presse“.
Insider vermuten, dass Ruck die Gunst der Stunde nutzen könnte, um sich selbst als neuer starker Mann der Wiener ÖVP zu positionieren. Doch ist er wirklich bereit, Mahrer zu stürzen? Oder spielt er ein doppeltes Spiel, um sich langfristig in Stellung zu bringen? Wie der Zufall so will, hat sich bei Ruck wiederum eine Flanke aufgetan, die Mahrers Position wiederum stärkt.
Nepotismus-Vorwurf: Rucks Sohn wird platziert
Wer glaubt, die Situation sei bereits undurchsichtig genug, irrt gewaltig. Die aktuelle Entwicklung sorgt für weiteren Sprengstoff: Walter Rucks Sohn, Alexander Ruck, wurde diese Woche als Spitzenkandidat der ÖVP im 19. Bezirk nominiert, obwohl er eigentlich im 7. Bezirk gemeldet ist und „parteipolitisch unbekannt“ ist. Kritiker sprechen von offensichtlichem Nepotismus, zumal der Bezirksvorsteher von Döbling, Daniel Resch, als enger Verbündeter Rucks gilt und federführend am Regieplan mitgearbeitet hat. Insider berichten zudem, dass die bisherige Landtagsabgeordnete Elisabeth Olischar strategisch „nach unten gestrichen“ wurde. Mit anderen Worten: Es wurde Platz für Alexander Ruck geschaffen. Ein Zufall?
Umfragedebakel: Der ÖVP bleibt nur das Chaos
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut „PolitPro Wahltrend“ liegt die SPÖ in Wien derzeit bei 38 %, gefolgt von der FPÖ mit 22 %, den Grünen mit 12 % und der ÖVP abgeschlagen bei 11 %. Die NEOS erreichen 9 %, die KPÖ 4 %. Inmitten dieses Wahldesasters versucht die Wiener ÖVP verzweifelt, sich neu aufzustellen. Doch die internen Machtkämpfe scheinen den aktuellen Niedergang nur noch zu beschleunigen.
Harte Bandagen: Wenige Posten, viele Kandidaten
Eine Übernahme der Wiener ÖVP durch Ruck gilt als unwahrscheinlich, zumindest offiziell. Ruck sitzt fest im Sattel der Wirtschaftskammer Wien und hat wenig zu befürchten. Die Verflechtung zwischen Wirtschaftsbund Wien und der Wiener Wirtschaftskammer ist tief. Überraschend sind auch die engen Bande mit der SPÖ: In mehreren Sparten der Kammer gibt es gemeinsame Listen mit dem roten Ableger SWV Wien, eine Allianz, die viele als undurchsichtigen Machtpoker betrachten. Beispielsweise treten in der Sparte 1 bei der Kammerwahl in Wien jeder dritten Fachgruppe eine Gemeinschaftsliste von WB und SWV (gemeint ÖVP und SPÖ) an.
Doch Ruck hat noch ein weiteres Ass im Ärmel: die Freimaurer. In Wien gilt es nicht als Nachteil, gute Beziehungen zu dieser einflussreichen Loge zu pflegen – insbesondere in der aktuellen politischen Landschaft.
Fazit und Ausblick: Die Wiener ÖVP taumelt ins Chaos
Die Wiener ÖVP steht an einem Scheideweg. Der Showdown am Freitag wird zeigen, wer das politische Ringen überlebt und wer untergeht. Klar ist: Die Partei steht vor einem innerparteilichen Machtkampf, der die Weichen für die Zukunft stellen wird. Ob sich nun der Flügel Mahrer, Flügel Sachslehner oder Flügel Ruck durchsetzen wird, ist mehr als fraglich. Mahrer steht mit dem Rücken zur Wand, Ruck lauert im Hintergrund und Intrigen bestimmen das Geschehen. Die kommenden Tage könnten für die ÖVP Wien entscheidender sein als jede Wahlkampagne.
Die Redaktion von FoB bleibt dran, denn wir wissen mehr, als die Partei liebhaben kann.