Causa Chorherr
Gestern, am 28.10.2017, lud der Rechtanwalt Wolfgang List, Aufdecker des Kärntner HCB-Umweltskandals, per OTS Aussendung mit dem Titel „Causa Chorherr: Korruption bei den Wiener Grünen wegen Heumarkt?“ Medienvertreter zur Pressekonferenz ein.
Es sprachen Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz, Wolfgang Zinggl, Nationalratsabgeordneter der Liste Pilz, der Rechtsanwalt Wolfgang List und der Rechtsanwaltsanwärter Paul Nagler.
Die Pressekonferenz in der Rechtsanwaltskanzlei von List mit dem Namen „Speedy and friendy Cooperation“ hatte es in sich. Präsentiert wurde die Sachverhaltsdarstellung der Initiative Denkmalschutz, die durch den Rechtsanwalt List bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft eingebracht wurde. Sämtliche Unterlagen wurden bei der Pressekonferenz ausgegeben und liegen der Redaktion vor.
Vehemente Beschuldigungen
Die Beschuldigungen gegen den grünen Planungssprecher und weitere Personen sind massiv, ein Auszug der Verdachtsmomente aus dem Schriftsatz (ohne Nennung der jeweiligen Paragraphenzahl): „Verdacht auf Geldwäscherei, Verdacht auf Missbrauch der Amtsgewalt, Verdacht der Bestechlichkeit, Verdachts der Vorteilsannahme und Verdacht der Bestechung.“
Zwar hätte es bei der Pressekonferenz eine „massive Überraschung“ für die Journalisten geben sollen, so der Anwalt List, jedoch hat ein „langjähriger, enger Freund“ von Christoph Chorherr eine halbe Stunde vor der Pressekonferenz am Samstagvormittag abgesagt. Vermutlich hätte diese Person einen genauen Einblick über die Initiative Ithuba geben können.
Doch die Vorwürfe, die im Raum stehen, haben einen bitteren Beigeschmack: In seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Gemeinderatsausschusses für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung trifft Chorherr auch Entscheidungen über Projekte, die die Spender des Vereins und der Initiative Ithuba betreffen.
Wenn wir anfangen, uns gegenseitig solche Lappalien an den Kopf zu werfen, dann bleibt von der Glaubwürdigkeit der Politik nicht sehr viel übrig!“ (Christoph Chorherr am 1.06.2017 im Wiener Gemeinderat)
Über Ithuba
Im Zentrum der Causa Chorherr steht die Initiative Ithuba. Ithuba bedeutet auf isiZulu „Chance“ und ist „der Name einer österreichischen Initiative der Entwicklungszusammenarbeit, die in den Bereichen Bildung und Sozialarchitektur tätig ist. Ziel ist die Verbesserung des Bildungsangebotes und der Bildungsinfrastruktur in sozial benachteiligten Stadtgebieten und ländlichen Regionen (Townships, informelle Siedlungen, ehemalige Homelands). Der Schwerpunkt der Bildungsarbeit bei ITHUBA liegt auf Schul- und Berufsbildung. Wir unterstützen die Transformation des südafrikanischen Bildungssystems in enger Kooperation mit den südafrikanischen Bildungsbehörden.“ (Ithuba)
Die Initiative Ithuba wiederum wird durch den Verein s2arch (Social and Sustainable Architecture) – Verein für soziale und Nachhaltige Architektur getragen. Der Obmann des Vereins ist Christoph Chorherr.„Die drei mit Abstand größten Einzelspender sind Willi Hemetsberger, Gründer von ithuba, die Bank Austria, sowie die Stadt Wien.“ (Blog von Chorherr) Und diese wurden auch bei der Pressekonferenz thematisiert.
Unvereinbarkeit? Subventionen der Stadt Wien
Die Optik auf die Subvention ist mittlerweile mehr als nur misslich. Vor allem die Tatsache, dass die Grünen Wien sich stets gegen Korruption eingesetzt haben und die Unvereinbarkeit von anderen Parteien für Grüne Wahlkampfzwecke thematisierte wurde, gibt der Causa einen zusätzlichen Pfiff.
In der Vergangenheit stimmte Chorherr mehrmals für Anträge für Subventionen für seinen Verein. Die Subventionen des Vereins der letzten Jahre (Überblick siehe auch wien.gv.at):
- 2010: 100.000 EUR
Siehe Sitzungsbericht (Antrag 02408-2010/0001-GIF, P 16): Dem Verein s2arch – Social Sustainable Architecture, 7, Kaiserstraße 44, werden für die Jahre 2010 und 2011 für das Projekt “Errichtung weiterer Gebäude für eine Townshipschule” nachstehende Subventionen genehmigt: Für 2010 50.000 EUR und für 2011 50.000 EUR. (wien.gv.at) - 2012 100.000 EUR
Siehe Sitzungsbericht (Antrag 02051-2012/0001-GIF): Die Ausbezahlung erfolgt in zwei Teilbeträgen (2012 und 2013 je 50.000 EUR). Es stimmten ÖVP, SPÖ und GRÜNE dafür, die FPÖ dagegen. (wien.gv.at) - 2014: 100.000 EUR
Siehe Sitzungsbericht (Antrag 00577-2014/0001-GIF; MD-EUI): Verein S2Arch – Social and sustainable architecture, Verein für soziale und nachhaltige Architektur. im Jahr 2014 und 2015 je 50.000 EUR). Die Subvention wurde von ÖVP, SPÖ und GRÜNE zugestimmt, die FPÖ war gegen den Antrag. (wien.gv.at und hier) - 2015: 50 000 EUR
Siehe Sitzungsbericht (Antrag 03438-2015/0001-GIF; MD-EUI, P 9): Die Subvention an S2arch – Social and Sustainable Architecture – Verein für soziale und nachhaltige Architektur in der Höhe von 50 000 EUR für das Projekt Schulbau und Infrastruktur Ithuba Wild Coast / Südafrika wird genehmigt. Bei dieser Abstimmung gab der Grüne Gemeinderat eine Befangenheitserklärung gemäß § 22a der Geschäftsordnung ab. Der Antrag wurde mit Zustimmung SPÖ, GRÜNE und NEOS erteilt, Ablehnung durch FPÖ und ÖVP. (wien.gv.at)
Lässt sich die erst späte Befangenheit begründen?
Obwohl über die Jahre hinweg Christoph Chorherr „die Position als Obmann ausübt, ist es nicht nachvollziehbar, wodurch sich plötzlich die Befangenheit 2015 begründet, welche jedoch in den Vorjahren nicht relevant war.“ (Sachverhaltsdarstellung, 25.10.2017)
Jährliche Lizenzgebühr von Ithuba Capital AG?
Nicht nur, dass es eine Initiative mit dem Namen Ithuba gibt, entstand im Umfeld von Christoph Chorherr ein Unternehmen, dass Ithuba im Firmennamen trägt: „Der Abend war dem Ithuba Skills College gewidmet, welches von Ithuba Capital massgeblich unterstützt wird. So ist eine jährliche Lizenzgebühr für den Namen fällig, womit die Schule finanziert wird. Angefangen hat übrigens alles mit einem Geschenk an Hemetsberger zu seinem 50. Geburtstag.“ (Börse Express)
Und genau zu dieser jährlichen Lizenzgebühr wird im Schriftsatz vom Rechtsanwalt List ein Verdacht beschrieben, „dass es sich hierbei um verdeckte Zuwendungen an Mag. Christoph Chorherr handelt, zumal der Name „Ithuba“ nicht geschützt ist und daher nach Ansicht der Einschreiterin [Anm. d. Redaktion: juristischer Begriff für die Initiative Denkmalschutz, die der List Rechtsanwalts GmbH eine Vollmacht erteilt hat] die Zahlung einer Lizenzgebühr nicht rechtfertigt.“ (Sachverhaltsdarstellung, 25.10.2017)
So heißt es dann konkreter: „Die Einschreiterin hat den Verdacht, dass die gegenständlichen „Spenden“ der Ithuba Capital AG ausschließlich als Gegenleistung für die notwendige Änderung des Flächenwidmungsplans in Zusammenhang mit dem Projekt „Heumarkt Neu“ erbracht wurden.“
Als Beleg für diese These fungiert ein Spendenbeleg für die Ithuba Capital AG vom 20.06.2011 in der Höhe von 100.000 EUR. Das Jahr darauf wurde ebenfalls ein Spendenbeleg in der Höhe von 100.000 EUR bei der Pressekonferenz präsentiert.
300.000 EUR von Steven Heinz
Der „britische Fondsbesitzer Steven Heinz mit 300 000 Euro“ sei auch ein Spender, so Christoph Chorherr in seinem Blog. Dies deckt sich auch dem E-Mail-Verkehr, dass bei der Pressekonferenz vorgestellt wurde. „Wir wissen, dass dieses Mail echt ist.“ so List über die Echtheit des Mails.
Aus dem Schreiben von 12. April 2012 mit dem Betreff „Ithuba Skills College – account details“ geht hervor, dass man sich im Namen des Vereins „für this donation and fort he speedy and friendly cooperation“ bedankt. So wurde während der Pressekonferenz ist den Raum gestellt, wie es sein könnte, dass man von einer „cooperation“ sprechen könne, wenn man von einer Spende ja keine Gegenleistung erwartet.
Hintergrundinformation: Netzwerk Tojner, Ithuba Capital AG und Chorherr
Bereits bei der 24. Sitzung des Wiener Gemeinderats, am 01.06.2017, thematisierte die Wiener Gemeinderätin Beate Meinl-Reisinger (NEOS Wien) die Verstrickungen von Chorherr und der Ithuba Capital AG. Zu diesem Zeitpunkt waren aber die konkreten Geldflüsse, wie zuvor genannt, noch nicht in dem Umfang bekannt: „Franz Guggenberger war schon seit vielen Jahren mit den Firmen von Michael Tojner verbunden. Er war Aktionär der WertInvest Beteiligungs- und Immobilienberatungs GmbH, er war aber bereits seit 2002 Aufsichtsrat der zentralen Tojner-Firma Global Actricity Partners Beteiligungs Management AG. Und er war seit 2002 auch Aktionär und Aufsichtsrat der Tojner-Firma Montana Capital Financial Services AG. Diese Montana Capital Financial Services AG wurde am 11. Juni 2009 in die Firma Ithuba Capital AG umbenannt. Die Ithuba Capital AG ist Partner und Sponsor von Christoph Chorherrs gemeinnützigem Verein s2arch – social and sustainable architecture, der unter dem Projektnamen Ithuba Schulen in Südafrika betreibt. Zweifelsohne sicher ein gutes Projekt, das ja auch immer wieder hier thematisiert worden ist. Wenn Förderungen vergeben werden, sagen Sie, glaube ich, immer, es gibt eine Unvereinbarkeit und Sie erklären sich befangen. Hauptaktionär der Ithuba Capital AG ist seither übrigens der SPÖ-nahe Manager Willi Hemetzberger, der sogenannte rote Willi.
Das Interessante daran ist, Herr Chorherr, dass Herr Tojner bis 2012 10 Prozent der Anteile an der Ithuba Capital AG gehalten hat. Er war auch bis 2012 stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei der Ithuba Capital AG.“ (Meinl-Reisinger)
Dem entgegnete der Grüne Gemeinderat Chorherr bei der Gemeinderatssitzung: „Dass Gerüchte zusammengekocht werden, nehme ich zur Kenntnis, und ich nehme auch zur Kenntnis, dass es viele Gerüchte über mich gibt. Manchmal bin ich fassungslos, welcher Art diese Gerüchte sind. […] Die Firma wurde von Herrn Tojner gekauft, und wie lange er wo Eigentümer oder Aufsichtsrat war, weiß ich nicht. Ich bin froh, dass Willi Hemetsberger, wie viele andere, unser Projekt unterstützt! Und ich weise ausatmend und ruhig zurück, dass das irgendeinen Zusammenhang mit dieser Widmung hat. Wenn wir anfangen, uns gegenseitig solche Lappalien an den Kopf zu werfen, dann bleibt von der Glaubwürdigkeit der Politik nicht sehr viel übrig!“ (Chorherr)
Stellungnahme Tojner
Mittlerweile haben sich einige Personen, die während der Pressekonferenz thematisiert wurden, zu Wort gemeldet. Unter anderem Michael Tojner. In einer OTS-Aussendung äußert sich Tojner zu den Vorwürfen wie folgt: „Das Unternehmen wurde – damals noch unter dem Namen Montana Capital Financial Services AG – von DDr. Tojner bereits im Jahr 2008 verkauft. Ab diesem Zeitpunkt hatte Herr DDr. Tojner, der zunächst lediglich einen 10-Prozent-Anteil als strategisches Investment zurückbehielt, keinerlei Einfluss auf die Geschäftstätigkeit dieses Unternehmens (und damit auch nicht auf die Umbenennung in Ithuba); im Jahr 2012 verkaufte DDr. Tojner auch den verbliebenen 10-Prozent-Anteil. Da DDr. Tojner für die Ithuba weder agierte noch jemals in deren Namen auftrat, ist jedweder Versuch, eine Verbindung dieses Unternehmens zu dem Heumarkt-Projekt der WertInvest herzustellen, ein rein fiktionales Konstrukt. „Um das Heumarkt-Projekt als Zugpferd für sein Dirty Campaigning heranzuziehen, muss selbst Dr. List wilde Spekulationen anstellen, gegen die wir uns entschieden verwahren und entsprechend wehren werden.“ (OTS)
Zwischenfazit
Die Vorwürfe und Anschuldigungen sind unbestritten schwer und massiv. Der Nationalratsabgeordnete Zinggl fordert daher noch während der Pressekonferenz: „Die Grünen sollen einen Untersuchungsausschuss einberufen.“ und während dieser Zeit „soll er [Anm. d. Red.: Chorherr] seine Agenden zurücklegen.“
Chorherr wird aber nicht nur vorgeworfen, im Gemeinderat mindestens drei Mal bei Subventionen für seinen eigenen Verein mitgestimmt zu haben. Er hätte sich von Beginn an für befangen erklären müssen, so der Vorwurf.
Vielmehr geht es darum, dass Spendengelder für einen Verein fließen, in der der Obmann des Vereins die Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Gemeinderatsausschusses für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung inne hat. Und genau in dieser Funktion trifft Chorherr auch Entscheidungen über Projekte, die die Spender des Vereins und der Initiative Ithuba betreffen.
Eine klare Unvereinbarkeit erkennen Neos in der Causa Chorherr, aber auch die ÖVP und die FPÖ. Wiens FPÖ-Vizebürgermeister Mag. Johann Gudenus fordert beispielsweise eine eingehende Untersuchung im Rathaus.: „An einer Aufrollung der Widmung am Heumarkt führt kein Weg vorbei. Die Causa Chorherr muss in die Entscheidungsfindung miteinfließen.“ Darüber hinaus fordert Gudenus: „Christoph Chorherr sollte die vollständige Liste der Spender schnellstens offenlegen.“ Aber auch die ÖVP Wien Gemeinderätin Elisabeth Olischar möchte Transaprenz in die Sache bringen: „Die Causa Chorherr erfordert so rasch wie möglich eine umfassende und gründliche Aufklärung.“
Christoph Chorherr war gegenüber Fass ohne Boden nicht für eine Stellungnahme bereit. Viele Fragen müssen zum jetzigen Zeitpunkt unbeantwortet bleiben.