Die unabhängige Untersuchungskommission des Justizministeriums wurde von hochrangigen Vertretern aus der Justiz und Rechtswissenschaft geleitet. Anwesend waren Martin Kreutner, emeritierter Dekan der International Anti-Corruption Academy (IACA) und Vorsitzender der Kommission, Angelika Prechtl-Marte, Präsidentin des Landesgerichts Feldkirch, sowie Peter Küspert, ehemaliger Präsident des Bayrischen Verfassungsgerichtshofes und des Oberlandesgerichts München.
Ergebnisse, Erkenntnisse und Empfehlungen
Der 230-seitige Bericht wurde laut Kreutner am Sonntag dem Justizministerium übermittelt. Der Vorsitzende zitiert aus dem Tonband. Die Tonbandaufnahme brachte die Causa Pilnacek ins Rollen: „Sie sind immer zu mir gekommen und haben gesagt: Warum dreht man das nicht ab.“ Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich vom 1.01.2010 bis zum 14.12.2013. Im Fokus der Untersuchung waren illegitimie Abflüsse oder Intenvetionen, aber auch Auffälligkeiten bei der Staatsanwaltschaft gegeben hat.
Die Kommission kann und muss feststellen, dass es Interventionen gegeben hat. Sprich es hat Auffälligkeiten gegeben und daher urteilt die Kommission das Ergebnis als „positiv“, sprich bejaht die übergeordnete Frage an die Kommission. Die Stellungnahme im wortlaut:
Die Kommission kann bzw. muss am Ende ihrer gut schsmonatigen Arbeit in allen angeführten Punkten eine "positive", weil zutreffende Befundung abgeben und legt dazu den vorliegenden Bericht vor.
§8 BMG-Untersuchungskomission Tweet
Sechs Quellen
- Aktenstudium aus 14 Jahren.
- 60 Interviews, davon waren 75 Prozent Personen aus der Justiz.
- Meldungen aus der Öffentlichkeit, beispielsweise durch die Whistleblower-Hotline.
- Offene Quellen wie parlamentarische Anfragen oder seriöse Medienquellen.
- Vergleich mit internationalen Standards und „Best Practices“.
- Analyse und Bewertung durch die Kommission, einschließlich der internen Kommunikation.
Auszug der zehn Befunde
- Das Justizsystem funktioniert sehr gut.
- Es gibt in Einzelfällen ein Phänomen der Zwei-Klassen-Justiz.
- Von beiden Seiten fehlt es an ausreichender Distanz von Angehörigen der Justiz zu einzelnen politischen Parteien.
- Fehlende Distanz und problematischer Umgang zwischen Justiz und den Medien.
- Zeitintensiver, oftmals ineffektiver Instanzenzug, gemeint ist ein „30-Augen-Prinzip“ in staatsanwaltschaftlichen Verfahren.
- Maßgebliche Transparenzprobleme sowie „Verantwortungsnebel“ in der internen Umsetzung.
- Fehlende systematische Fehlerkultur bei fragwürdigen Mechanismen.
- „Rechtsgrundlagennebel“ für den Abschnitt von strafprozessualen Verfahren, insbesondere wenn es dem „Bundesminister für Justiz“ zugeordnet ist.Ungelöste Problematiken im Spannungsfeld von Fach- und Dienstaufsicht.
- Parteipolitische Bestrebungen sowie konkrete Vorhaben zur Schwächung und Zerschlagung der WKStA.
Intervention in der Inseratenaffäre
Über die Organisationskultur sprach Küspert, die es in sich hat.
Pilnacek hat sich laut der Kommission mit einem Pressesprecher in der Inseratenaffäre getroffen. Dieser wurde über aktuelle Ergebnisse und Stand der Ermittlungen informiert. Aber auch beim sogenannten Tierschützerprozess hat Pilnacek seine Kompetenzen überschritten.
So soll Pilnacek Informationen und Akten weitergegeben haben. Der ehemalige Sektionschef nützt private Messanger-Dienste. Laut einem FoB-Hintergrundgespräch handelte es sich um den Anbieter Signal.
Politische Einflussnahme
Stadterweiterungsfonds wurde beispielweise 22 Monate geprüft und erst dann mit einer Weisung weitergleitet. „Spiel auf Zeit“ oder man „möge eine Ehrenrunde drehen“ führten zu Verzögerungen bei Ermittlungen. Manche Verfahren haben bis zu 15 Jahre gedauert.
Beeinflussung in Ermittlungsverfahren durch die Meinung in der Fachaufsicht. Anregungen und Empfehlungen wurden statt Weisungen durch Pilnacek weitergegeben. Die Äußerungen durften in ungeachtet werden. So wurden bewusst Rechtsmeinungen geäußert, um eine „Handreichung zu geben“. Probematisch war dies insbesondere in Fällen, in denen Pilnacek sich selbst als befangen erklärte.
Reaktion aus der Politik
„Die Kreutner-Kommission übt herbe Kritik an internen Abläufen in der Justiz und dem Justizministerium. Darüber hinaus können wir den Bericht nicht beurteilen, wenn er nicht veröffentlicht ist und wir ihn nicht kennen. Daher bleibt eine seriöse und ernsthafte Bewertung der Ergebnisse noch bis zur endgültigen Veröffentlichung des Berichts abzuwarten“, äußert sich ÖVP-Generalsekretär, Christian Stocker, schriftlich zur heutigen Pressekonferenz.
„Die Untersuchungskommission über politische Einflussnahme in der Justiz, geleitet von Martin Kreutner, hat leider unsere Befürchtungen bestätigt“, erklärt SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim.
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker hält fest: „Der ‚tiefe Staat‘ der ÖVP, den sie auch im Justizministerium eingerichtet hat, existiert. Die von Kreutner kritisierte Zweiklassen-Justiz und die Freunderlwirtschaft in den letzten Jahren sind eindeutige Belege dafür. Im Finanzministerium hat die Volkspartei eine ‚Fastlane‘ für ihr Klientel eingerichtet, im Justizministerium wurde mit dem verstorbenen Sektionschef Pilnacek offenbar ein eigenes Beratungstool für Parteifreunde eingerichtet.“
„Der nächste Schritt zu einer dauerhaften Absicherung der Unabhängigkeit der Justiz, auch über die Amtszeit von Alma Zadić hinaus, ist die Einrichtung einer wirklich von der Politik unabhängigen Generalstaatsanwaltschaft. Auch hier deckt sich der Bericht mit unseren Grünen Forderungen: Der Bericht hat gezeigt, dass eine zu starke Konzentration von Macht nie zielführend ist. Daher plädiert die unabhängige Kommission – ebenso wie wir Grünen – für ein Mehrpersonen-Gremium wie es auch die europäische Staatsanwaltschaft eingerichtet hat“, sagt Agnes Sirkka Prammer, Justizsprecherin der Grünen.
Fazit und Ausblick
Justizministerin Alma Zadic (Grüne) bestätigte die Feststellungen der Kreutner-Kommission über Einflussnahmen auf juristische Prozesse. Trotz bereits erzielter Verbesserungen in ihrer Amtszeit sieht sie weiteren Handlungsbedarf zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit und Unabhängigkeit der Justiz. Zadic betonte die Notwendigkeit einer politisch unabhängigen Generalstaatsanwaltschaft, um zukünftige Einflussnahmen zu verhindern.