Ein Fall mit Sprengkraft: Der albanische Botschafter in Österreich, Fatmir Velaj, sieht sich mit einer wachsenden Zahl schwerwiegender Vorwürfe konfrontiert. Während er laut albanischen Medien im Fokus der Anti-Korruptionsbehörde SPAK im Fokus steht, geraten auch seine Staatsbürgerschaft, sein akademischer Titel und seine politische Karriere ins Visier der Opposition in Albanien. Die Vorwürfe reichen von Amtsmissbrauch über Urkundenfälschung bis zu einem möglichen Verstoß gegen das österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz, mit weitreichenden Konsequenzen auf beiden Seiten der Adria. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Botschafter unter SPAK-Beobachtung
Die Sonderstaatsanwaltschaft gegen Korruption und organisierte Kriminalität (SPAK) in Albanien führt angeblich ein Ermittlungsverfahren gegen Velaj – das berichten mehrere albanische Medien übereinstimmend, darunter das investigative Portal Prapaskena. Die Vorwürfe wiegen schwer, besonders ein möglicher Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit der angeblichen Unterbringung seiner flüchtigen Schwägerin in der Botschaft in Wien, obwohl gegen sie ein Haftbefehl bestand. Sollte sich dieser Verdacht erhärten und auch zutreffen, wäre der Missbrauch diplomatischer Privilegien kaum von der Hand zu weisen.
Doppelstaatsbürgerschaft: Politisch brisant, rechtlich heikel
Nach Recherchen von FoB und mehreren albanischen Quellen soll Velaj zeitgleich österreichischer und albanischer Staatsbürger gewesen sein – und das während seiner aktiven Zeit als Berater und Mitglied mehrerer Parlamentskommissionen in Albanien (2013–2023).
Gemäß § 27 des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes ist dies nur mit ausdrücklicher Genehmigung zulässig, eine solche ist der Redaktion zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht bekannt.
Wenn Velaj seine politische Tätigkeit im Ausland gegenüber den österreichischen Behörden nicht offengelegt hat, könnte dies strafrechtlich relevant sein. Dies würde etwa als Täuschung oder Erschleichung von Rechten gelten. Ob das Außenministerium oder die zuständige MA 35 über die Doppelfunktion informiert waren, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt offen – eine offizielle Stellungnahme von Seiten des Außenministeriums steht aus.
Akademischer Titel mit vielen offenen Fragen
In seinen offiziellen Biografien führt Velaj ein abgeschlossenes Studium in „Art and Cultural Management“ an der Universität für angewandte Kunst Wien an. Doch eine Bestätigung über diesen akademischen Grad liegt der Redaktion bislang nicht vor.
In Velajs offizieller Biografie wird ein Studium im Bereich „Art and Cultural Management“ an der Universität für angewandte Kunst Wien angeführt. Aktuell liegen jedoch keine öffentlich einsehbaren Nachweise über einen anerkannten Abschluss vor.
Fragen wirft insbesondere die Rolle der albanischen Kristal University auf, einer mittlerweile aufgelösten Institution, deren akademische Standards in der Vergangenheit mehrfach in der Kritik standen. Der Weg zur Zulassung in Österreich ist bislang nicht lückenlos nachvollziehbar dokumentiert.
Offen bleibt insbesondere, ob und wie frühere Bildungsnachweise als Grundlage für die Aufnahme anerkannt wurden. Dies gilt es nun in Erfahrung zu bringen.
Ehre dem, dem Ehre gebührt?
Auch Velajs Ehrungen und Auszeichnungen geraten nun in den Fokus:
• Das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich (2013)
• Sein Professorentitel (2019)
Beides erfolgte in einem Zeitraum, in dem im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft war. Kritiker fordern eine Überprüfung: Wurden diese Auszeichnungen auf Basis falscher Angaben oder politischer Interventionen vergeben? Welche politischen Netzwerke in Österreich – etwa aus SPÖ oder ÖVP – haben diese Ehrungen ermöglicht? Dies gilt es nun international im Rechercheverbund mit albanischen Medien zu recherchieren.
Albanien und Österreich
Velaj gilt als enger Vertrauter von Premierminister Edi Rama und war u.a.:
• Außen- und Kulturberater des Premierministers
• Mitglied der Außenpolitischen Kommission
• Vorsitzender der Freundschaftsgruppe Albanien – Österreich
• Mitglied der Medien-, Bildungs- und Kulturkommission
Sein Aufstieg gilt als politisch getrieben, weniger als akademisch oder diplomatisch fundiert, so seine Kritiker. Die Frage steht im Raum: Hat Vetternwirtschaft den diplomatischen Dienst unterwandert?
Nachwirkungen in Tirana und Wien
Der Zeitpunkt ist brisant: Am 11. Mai wählt Albanien ein neues Parlament. Nach der spektakulären Verhaftung des Bürgermeisters von Tirana durch SPAK, könnte Velaj der nächste hochrangige Politiker sein, der ins Visier der Justiz rückt. Auch Premier Edi Rama gerät zunehmend unter Druck – Velaj war einer seiner engsten Weggefährten.
In Österreich kündigt sich bereits das parlamentarische Nachspiel an. Nach FOB-Informationen arbeitet die Opposition an einer Anfrage an das Außenministerium, mit folgenden zentralen Fragen:
• Wie lief Velajs Bestellung zum Botschafter ab?
• Welche Informationen zur Staatsbürgerschaft lagen vor?
• Wurden politische Ämter in Albanien korrekt gemeldet?
• Auf welcher Basis erfolgten Auszeichnungen und Titelvergabe?
• Existiert ein anerkannter Abschluss an der Universität für angewandte Kunst?
Fazit: Ein Fall mit Sprengkraft
Fatmir Velaj steht im Zentrum einer wachsenden transnationalen Politaffäre. Was mit diplomatischer Immunität begann, könnte nun zum juristischen Fall werden – mit offenen Fragen, die Wien und Tirana gleichermaßen betreffen.
Für besondere politische Sprengkraft sorgt, dass ausgerechnet der ehemalige NEOS-Abgeordnete Helmut Brandstätter die Causa Velaj in den parlamentarischen Raum getragen hat. Während er Aufklärung forderte, bleiben nun mehr Anfragen von Redaktion an die NEOS-Spitze bislang unbeantwortet.
Ein bemerkenswerter Widerspruch: Ausgerechnet jene Partei, die sich Transparenz auf die Fahnen schreibt, bleibt in dieser Angelegenheit auffallend still. Der Transparenz scheinen – zumindest in diesem Fall – die Flügel gestutzt.
Stellungnahme durch das Außenministerium
Nachtrag am 28.03: Das Außenministerium reagierte zunächst zögerlich und verspätet auf die Anfrage von Fass ohne Boden. Nun aber bestätigt das Ministerium wesentliche Punkte der Enthüllungen: Die albanische Botschaft wurde tatsächlich darauf hingewiesen, dass Doppelstaatsbürger nicht als Botschafter in Österreich akkreditiert werden können. Zudem habe man auf das in der Wiener Diplomatenkonvention verankerte Verbot hingewiesen, während einer diplomatischen Mission einer gewerblichen Tätigkeit nachzugehen.
Im Wortlaut eine Sprecherin des Außenminsiteriums gegenüber Fass ohne Boden:
„Die Botschaft Albaniens war vom Außenministerium darüber informiert worden, dass Doppelstaatsbürger nicht als Botschafter in Österreich akkreditiert werden. Ebenso wurde auf das in der Wiener Diplomatenkonvention enthaltene Verbot der Ausübung eines auf Gewinn ausgerichteten Berufs oder Gewerbe hingewiesen.
Mit der Zurücklegung der österreichischen Staatsbürgerschaft von Prof. Velajs und dem Einstellen seiner gewerblichen Tätigkeiten in Österreich bestanden keine Hindernisse für die Erteilung des Agréments durch den Herrn Bundespräsidenten.“
Erst nach der Niederlegung der österreichischen Staatsbürgerschaft und dem Ende seiner gewerblichen Aktivitäten in Österreich sei laut Ministerium der Weg für ein Agrément durch den Bundespräsidenten frei gewesen. Damit räumt das Außenministerium indirekt ein, dass die diplomatische Laufbahn Velajs nur unter Auflagen möglich war und bestätigt zugleich zentrale Aspekte der FoB-Recherchen.
Quellen
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Special_Structure_against_Corruption_and_Organized_Crime
https://www.cercle-diplomatique.com/botschafter.aspx?id=204
https://monitor.al/de/mash-pezullon-licencen-e-kristal