Der langjährige Partner von der Nachrichtenhändlerin “Nina”, ein BVT-Beamter, sollte 2015 einen heiklen Bericht im Finanzministerium „platzieren“. So sollten „alle Schweinerein“ dem ehemaligen Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) offengelegt werden. Nur kam scheinbar der Bericht nie an. Ein Agententhriller aus der Glückspielszene.
Übernahme der CASINO-Anteile
Ein Ermittler des Bundesamts zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung, kurz BAK, beschreibt in seinem Abschlussbericht das Projekt wie folgt: “Übernahme der Firmenanteile der CASINO Austria durch eine aus Tschechien stammende Investorengruppe um Karel Komarek.“
Involviert ist in der Causa die deutsche Nachrichtenhändlerin „Nina“, ein ehemaliger Gendarmeriegeneral und der Projektabwickler von Dmitri Firtasch (siehe Ninas Einflussnahme auf das BVT für Dmitri Firtasch). Doch was hat das Trio 2015 tatsächlich gemacht?
“Novomatic hatte Appetit auf mehr”
Soweit dies aus den Unterlagen nachvollziehbar ist, wurde dieses Projekt von „Nina“ im Zeitraum von Juli bis September 2015 durchgeführt. Start des Projekts war wenige Tage nachdem publik wurde, dass der Glückspielkonzern Novomatic den wesentlichen privaten Aktionären der Casinos-Gruppe ein Angebot gelegt hatte.
Der Glückspielkonzern legte eine Offerte der gesamten Medial Beteiligungs-Gesellschaft. Zur damaligen Zeit hatten neben der Raiffeisen-Tochter Leipnik-Lundenburger Invest (LLI) und UNIQA auch die ehemalige Kirchenbank Schelhammer & Schattera sowie die Vienna Insurance Group (VIG) über ihre Tochter Donau Versicherung ihre Anteile gebündelt. Die Medial hielt insgesamt 38,29 Prozent an der Casinos Austria AG.
So gab der damalige VIG-Aufsichtsratspräsident Günter Geyer in einem Interview bekannt, dass das Angebot “ein wichtiges Argument“ sei, „aber die Meinung der Republik dazu ist für uns ebenfalls wichtig”. Und genau an dieser Meinung hat „Nina“ gearbeitet (siehe Novomatic hat Appetit auf mehr).
Gekaufter Informantenbericht im BVT
Bei jenem BVT-Beamten, der für „Nina “ über Jahre hinweg private Dienstleistungen erbracht hat, sollte dieses Mal eine besondere Gefälligkeit erbringen. So ist den Beschuldigtenvernehmungen von „Nina“ zu entnehmen, dass seine Aufgabe „darin gelegen wäre, einen Bericht beim Bundesminister für Finanzen (Hans Jörg Schelling) zu platzieren.“
So schrieb die Nachrichtenhändlerin am 17. August 2015 ihrem Projektpartner, dem ehemaligen Polizeigeneral: „Der BVT-Beamte findet unseren Omega Bericht hoch interessant. Fragt, wann er grünes Licht bekommt.“
Und so wurde unter der Nummer 01/15 ein Informantenbericht, datiert mit dem 18. August 2015, vom BVT-Beamten verfasst und im Verfassungsschutz abgelegt. Darin wird der Versuch der Übernahme der CASAG Anteile durch eine tschechische Investorengruppe beschrieben. Eine Zusammenfassung wurde vom BVT-Beamten mit dem Titel „Ermittlungsergebnisse um Projekt Omega“ beigelegt, der gemeinsam mit Nina und dem ehemaligen Polizeigeneral verfasst wurde.
Erstaunlich ist aber, dass am eigentlichen Bericht des BVT-Beamten dann aber folgende Beschreibung eingetragen ist: “Das Schriftstück enthält streng vertraulich gewonnen Informationen.” Darüber hinaus sei “der Autor des Berichts ist ho nicht bekannt. Der Wahrheitsgehalt seines Inhalts kann ho nicht bewertet werden.”
Dies erscheint wirr, da am Vortag der Beamte sich erkundigt, wann er den Bericht verwenden kann.
Ermittlungsergebnisse um Projekt „Omega“
Der dreizehnseitige Bericht vom 18. August 2015 wurde nicht nur „mit offiziell zugänglichen Quellen“ angereichert, sondern auch mit Know-How von internationalen Vertretern folgender Organisationen: Interpol, zwei europäische Nachrichtendienste, ein tschechischer Historiker des „Instituts für das Studium der totalitären Regime“, ein russischer Nachrichtendienstmitarbeiter, die Antikorruptionsabteilung der Europäischen Union OLAF und ein Vertreter der griechischen Anti-Geldwäsche-Behörde Hellenic F.I.U.
Das Dokument wollte den Beweis erbringen, die „gegen einen Erwerb der Anteile von Casino Austria AG durch diese Gruppe“ sprechen. Aus Sicht der Autoren spreche man von „schwerwiegenden sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Gründen“. Darin wird das Vermögen der alten Kommunistischen Partei der CSSR aufgeschlüsselt; ein Netzwerk von russischen Banken erörtert, die „geopolitische Grundsätze der EU Kommission für Energie „aushebeln“; ein System beschrieben, „das Geld in Milliardenhöhe“ wäscht und erörtert, welche Rolle ein griechischer Oligarch einnimmt, der als Vertreter der Organisierten Kriminalität bezeichnet wird. Das Fazit der Verfasser lautet: „Ein absolutes No-Go aus Sicht der Autoren.“
Doch der BVT-Beamte hat nach dem Erhalt des Berichts gar kein Interesse weitere Ermittlungen nachzugehen, im Gegenteil: „Weitere Ermittlungen sind nicht beabsichtigt.“ Warum der BVT-Bericht überhaupt aus Sicht der Behörde angelegt wurde, ist fragwürdig.
Auch der BAK-Beamte, der gegen den BVT-Beamten in der Causa „Nina“ ermittelt (Aktenzahl 4 St 6/16a), hält in seinem Abschlussbericht fest: „Ob durch das BVT weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit dem durch den Gelegenheitsinformanten zur Anzeige gebrachten Sachverhalt durchgeführt wurden, kann nicht nachvollzogen werden. Auch kann nicht bestätigt werden, dass vom BVT-Beamten ein Aktenvorgang zur CASAG bearbeitet wurde. Das zum Thema stehende Schriftstück, konnte nicht festgestellt werden.“ Handelte es sich somit um eine Alibiaktion?
Für wen wurde eigentlich lobbyiert?
Aus den Unterlagen geht aber nicht klar hervor, wer der eigentliche Auftraggeber sei. Startschuss für die Aktivitäten von “Nina” und ihren Partnern in Finanzministerium war der 26. August 2015. An diesem Tag fand dort laut Unterlagen ein Termin statt: „Nochmal, unser Dossier über den BVT-Beamten war am 26. Gespräch im Fin min (Anm. Finanzministerium). Und der Fin. habe gesagt, jetzt müsse er sich die Sache nicht mehr durch den Kopf gehen lassen, denn es kam aus dem Innenressort… Schauen wir mal. Mit G. soll es noch ein Nachspiel geben. LG Nina“
„Nina“ war aber mit dem Verlauf des Projekts unzufrieden und hat daher ihren zwei Partnern, dem Projektabwickler und dem ehemaligen Polizeigeneral, die Causa in einer E-Mail näher erörtert. So verfasste sie am 28. September 2015 eine „Manöverkritik“. So sei zum einen festgehalten, dass „der Ermittlungsbericht alle Schweinerein der Player beinhalte“.
Besonders spannend erscheint diese Passage: HN, gemeint Harald Neumann von der Novomatic, „habe ich vor dem Start dieser Aktion gesagt: „Das Papier geht von T. (BVT) zum Kabinettchef des Innenministeriums. Von dort zum Kabinettchef des FinMin (Anm. Finanzministerium). Danach meinte K. (Anm. ein Novomatic Entscheidungsträger) nichts sei irgendwo gelandet. Glaub dieser Naja allen Ernstes, dass er Auskunft bekommt, wenn er anruft? Wir konnten den Weg inzwischen genau abklären:
Kabinettchef – Kabinettchef – Landeshauptmann P. – Fin Minister.“
Der einäugige Zyklop: “Es war niemand”
Im Zuge der gestrigen Medienverhandlung wurde der Kabinettchef zu den Inhalten des Schriftstücks befragt, jedoch habe es keinen Kontakt mit „Nina“ gegeben. Das Projekt “Omega” sei ihm ebenfalls nicht bekannt.
Die Agentin „Nina“ selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auf das E-Mail der Redaktion wurde nicht geantwortet.
Aus dem Umfeld der Novomatic konnte die Redaktion in Erfahrung bringen, dass der ehemalige Polizeigeneral von 2014 bis 2016 für den Glückspielkonzern tätig war. Es handelte sich dabei um einen externen Beratervertrag. Gegenüber der Redaktion wollte der ehemalige Polizeigeneral sich nicht zum Kunden oder zu anderen Kunden äußern: „Über Projekte von ehemaligen Kunden kann ich keine Auskunft geben, ich hoffe Sie verstehen.“
Der Polizeigeneral wäre eines Tages zum Essen mit “Nina” und dem BVT-Beamten eingeladen worden. Dies habe aber abgelehnt, da es Probleme für aktive Kollegen im Polizeidienst bedeuten könnte, sprich es hätte den Beamten „in eine ungünstige Situation bringen können.“ In Summe war das Gespräch von Erinnerungslücken gekennzeichnet.
Selbes gilt für den Projektabwickler. Die wirtschaftliche Beziehung sei mit „Nina“ am Abklingen gewesen und „Omega“ stellte eines der letzten gemeinsamen Projekte dar. Zwar bestätigt dieser den dreizehnseitigen Bericht, habe aber nicht Zugriff auf den umfassenden Bericht Omega laut dem BAK-Akt. Erstaunlich ist die Tatsache, dass weder der Projektabwickler noch der ehemalige Polizeigeneral sich an Details im Projekt Omega bzw. Omega 2 erinnern können.
Laut den Ermittlungen des BAK erhielt der BVT-Beamte für seine in Summe 8.000 Euro in drei Tranchen. Wie viel Geld die Nachrichtenhändlerin erhalten haben soll, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Der erste Eigenbeleg in den Unterlagen von “Nina” ist mit 27. Juli 2015 datiert, sprich einen Tag nach der Veröffentlichung des Kurier-Artikels.
Auf die Frage, wer die „Quelle Kabinett“ sei, die in Summe 8.000 Euro erhalten hätte, konnten beide Protagonisten von „Nina“ keine Auskunft geben. Dass eine Person Schmiergeld aus dem Kabinett erhalten soll, steht im Raum. Genauso wie der BVT-Beamte, gegen den nach wie vor noch keine Anklage erhoben wurde. Laut WKStA ist das Verfahren nach wie vor anhängig.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, wozu das BVT überhaupt einen derartigen Bericht angelegt hat. Spätestens der Vorgesetzte von dem Verfasser hätte für sich schon dieser Frage nachgehen müssen.
Für alle Beteiligten in dem Bericht gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung.
Aviso: Kommende Woche erfolgt die Veröffentlichung von “Omega 2”.